Wolfsmondnacht (German Edition)
Céleste, die grimmig dreinschauend die Arkebuse schießbereit in beiden Händen hielt. Das war seine Schwester, Blut von seinem Blut. Ihm äußerlich unähnlich war sie ihm im Charakter nahe.
Jean-François war erleichtert, als sie endlich Dôle erreichten. Er trug die Frau zu Tante Camilles Haus am Stadtrand.
Marie blieb neben der Tür stehen. »Ihr könnt dieses Weib nicht mit zu Euch nehmen«, sagte sie.
»Wohin dann? Nehmt Ihr sie auf?«
Sie schüttelte den Kopf. »Gewiss nicht! Ich dulde keine Hure in meinem Haus. Hierfür kann ich keine Verantwortung übernehmen. Ich gehe!« Marie stapfte davon.
»Ruf einen Arzt, Céleste.«
» Oui .«
»Keinen Arzt.« Die Stimme war leise nur, dennoch vernahm Jean-François sie. Auch Céleste musste sie gehört haben, denn sie blieb stehen.
Erstaunt blickte Jean-François in die Augen des jungen Weibes. Er hatte aufgrund ihres sehr hellen Haares erwartet, dass sie blau wären, doch sie waren von einem lichten Braun, dem Bernstein ähnlich.
»Keinen Arzt«, wiederholte sie.
»Aber Ihr werdet Euch Wundfieber holen.«
»Ich bin weit davon entfernt, zu sterben.« Sie hob ihren Blick zu Jean-François. »Bitte keinen Arzt. Ich werde es Euch später erklären.«
»Also gut.« Da Céleste die Tür öffnete, trug Jean-François trug die Fremde schnell über die Schwelle des Hauses. Er wollte nicht, dass sich eine Gruppe Schaulustiger zusammentrottete, während sie nackt in seinen Armen lag. Céleste öffnete auch die anderen Türen für ihn. Vorsichtig trug er die Fremde in sein Zimmer. Céleste zog sich zurück.
Jean-François legte die Fremde vorsichtig auf sein Bett legte. »Es dürfte meinem Ruf nicht sehr zuträglich sein, sollte man am Morgen ein totes Mädchen in meinen Räumen finden«, sagte er.
»Ich versichere Euch, dass es mir gut geht.«
Jean-François lächelte sie an. »Das glaube ich. Totgeweihte sprechen nicht so viel.« Er betrachtete ihr Gesicht. In der Tat sah sie nicht mehr so blass aus wie zuvor. »Was war das für ein Tier, das Euch angegriffen hat?«
»Ich konnte es nicht sehen, denn es kam von hinten.«
»Es könnte auch andere Menschen anfallen. Wir müssen etwas unternehmen.«
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nein, es hat es nur auf mich abgesehen.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«
»Intuition. Ich weiß es einfach.«
»Diese Wunden sehen alles andere als harmlos aus. Der Arzt hat Schweigepflicht und …« Sein Blick fiel auf die Wunden an ihrer Seite. Jean-François erstarrte. Die meisten der Kratzer, die er im Wald noch hatte bluten sehen, waren zu rötlichen Linien verheilt, als wären Tage vergangen anstatt von Minuten. Dennoch nahm er den Tiegel mit der kräuterhaltigen Wundsalbe aus dem Schrank und reichte ihn ihr. Sie nahm ihn dankend entgegen.
»Ihr seid tatsächlich eine Hexe!«
Entsetzen lag auf ihren Zügen. »Ich versichere Euch, dass ich keine Hexe bin. Bitte liefert mich nicht den Hexenproben aus.« Sämtliche Farbe wich ihr aus dem Gesicht. Ihre Hände verkrampften sich bebend um das Ende der Bettdecke, die sie über sich zog. »Ich werde alles für Euch tun, wenn Ihr mich verschont.«
Er betrachtete ihr schönes Gesicht und ihre ungewöhnlichen Augen, die dunkel waren und dennoch voll Licht. Jetzt lag ein Ausdruck von Furcht darin.
Er schüttelte den Kopf. »Non, ich werde Euch gewiss nicht verraten, Mademoiselle. Ich glaube nicht an Hexen und das Übernatürliche, selbst jetzt, wo ich es vor mir sehe, zweifle ich noch daran.« Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Es beruhigt mich jedoch zu sehen, dass Ihr nicht sterben werdet. Es wäre schade um Euch.«
Lächelnd bemerkte er, wie ihre Anspannung wich. Er trat zum kleinen Tischchen an der Wand neben der Tür. Ein Krug mit Wein stand darauf und mehrere Becher. Er schenkte zwei davon voll. Einen reichte er ihr, den anderen trank er in einem Zug aus. »Ich bin müde, Mademoiselle. Ich werde nebenan schlafen und hoffe, Ihr werdet mich nicht in der Nacht verhexen.«
»Aber ich bin doch keine Hexe!«
Er lachte. »Das war doch nur ein Scherz.«
Sie öffnete den Mund zu einem O, sprach jedoch nicht.
»Sollten Eure Wunden schlimmer sein als erwartet, so weckt mich.«
»Ich danke Euch, Herr.«
»Ihr könnt den Wein trinken, um Eure Schmerzen zu lindern. Lasst mir nur, falls möglich, einen Becher für morgen früh übrig.«
»Ich habe nicht vor, mich zu betrinken.«
»Ich kann neben Eurem Bett Wache halte, falls das Untier …«
Sie
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