Wolfsmondnacht (German Edition)
Apolline zu. Nichts an diesem mit Krallen und Reißzähnen bewehrten Wesen hatte für ihn Ähnlichkeit mit einem Weibe. Sie beugte sich über ihn. Ihr Geifer troff auf seine Brust. Apolline öffnete ihr entsetzliches Maul und schnappte nach seiner Kehle.
Kapitel 19
Céleste suchte Donatien Mortemards Schlafzimmer auf. Er hatte die Bettdecke und die Kissen ordentlich drapiert. Sie sank nieder auf das Bett, wo er noch eine Stunde zuvor geruht hatte und vergrub ihr Gesicht in den Kissen, wo sein Kopf gelegen hatte, um seinen Duft aufzunehmen.
Im Angesicht seines möglichen Todes wuchs in ihr die Verzweiflung. Sie durfte ihn nicht gehen lassen. Nicht so. Wenn er starb, so starb auch ihre Hoffnung mit ihm. Sie konnte ihm nicht völlig vertrauen, hatte Tante Camille gesagt, doch wenn nicht ihm, wem dann? Irgendwann musste man die Vergangenheit überwinden.
Céleste erhob sich vom Bett. Sie trat zu seiner Truhe und öffnete sie. Darin lagen einige seiner Waffen mit den todbringenden Obsidianklingen. Sie nahm eines der Schwerter und ein Messer an sich. Vielleicht hatte sie Glück und konnte womöglich zu dieser späten Stunde noch ein Pferd in Dôle mieten.
Die Tür flog auf. Céleste fuhr herum, doch es war nicht Tante Camille, die dort stand. Erschrocken blickte sie dem Mann entgegen, der sich dunkel gegen den Flur abhob. Das Mondlicht, das vom Fenster hereinschien, erreichte ihn nicht.
»Wer ist da?«, fragte sie mit bebender Stimme.
»Der Teufel. Ich bin gekommen, um deine Seele zu holen.«
»Jean-François, erschrecke mich nicht so.«
»Was hast du da in der Hand? Komm, zeig her.«
»Das gehört mir nicht.«
»Ah, du spielst an Monsieur Mortemards Waffen herum.«
»Ich wollte mir nur ein Schwert ausleihen.«
»Seit wann bist du eine Diebin? Gibt es sonst noch positive Charaktereigenschaften von dir, die mir bisher entgangen sind?« Er trat näher.
»Donatien hat bestimmt nichts dagegen, wenn …«
»Ihr seid also schon beim Vornamen. Wie interessant.« Jean-François hob mokant eine Augenbraue.
»Das vermittelt den falschen Eindruck. Ich …«
»Du treibst dich nachts in seinem Zimmer herum und du riechst nach ihm. Welchen Eindruck sollte ich denn haben, ma sœur ?«
Céleste spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt für sein anzügliches Lächeln. »Das kannst du doch gar nicht wissen. So einen guten Geruchssinn hat kein Mensch.«
»Ich sagte dir doch bereits, dass ich der Teufel bin und deine geheimsten Gedanken kenne. Ich rieche das Laster an dir.«
»Pah! Du bist umnebelt vom Geruch deines eigenen Lasters. Wie solltest du das meine noch wahrnehmen?«
»Warum wurdest du dann vorhin rot? Doch nur, weil dich unsittliche Gedanken quälen. Außerdem ist sein Bett zerwühlt.«
»Das war ich.«
»Also doch. Wo versteckst du ihn?« Jean-François blickte hinter den Vorhang und unter das Bett.
»Er ist weg, wegen Jeanne, doch er kommt zu spät. Ich habe versagt.« Schluchzend schlug sie die Hände vors Gesicht. »Sie ist im Wald verschwunden. Ich habe tagelang nach ihr gesucht, sie doch nicht gefunden.«
»Jeanne ist weg? Aber, ma petite. « Jean-François zog sie mitsamt all den Waffen, die sie noch immer hielt, in seine Arme. Dicht an sein Herz presste er ihren Kopf und strich über ihr Haar. Auch wenn seine Haut noch kühl war vom Nachtwind, so verspürte sie doch Trost in seiner Umarmung.
»Ein loup-garou treibt hier sein Unwesen«, sagte sie. »Es ist alles meine Schuld. Sie lief schon einmal weg. Ich dachte, sie sei mondsüchtig. Ich fand sie im Wald, nackt und voller Blut. Ich befürchte, es war nicht nur ihr eigenes, doch ich wollte es damals nicht erkennen.«
Jean-François blickte sie erstaunt an. »Wie bitte?«
»In den beiden Nächten, in denen sie fort war, starb jeweils ein Kind. Ein Mädchen in Jeannes Alter. Es spielte auf einem der Weinberge, da kam ein Wesen. Behaart, mit Zähnen und Klauen, ähnlich einem Wolf. Ein alter Mann hat es gesehen und die Mutter des Kindes, doch sie beide waren zu weit weg und es ging zu schnell. Das zweite fanden sie auf dem Gebiet von Châtenois.« Céleste atmete tief durch. Sie wischte sich über die Stirn. »Sein Fleisch war von den Knochen gerissen.« Céleste begann zu weinen.
»Oh, mon dieu !«
»Da ist noch etwas, das ich dir sagen muss«, sagte sie. »Ich fand Jeanne in diesen Nächten in der Nähe der Orte, an denen die Morde stattfanden.«
Er starrte sie einen Moment sprachlos
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