Wolfsmondnacht (German Edition)
Jean-François lächelte ihn an, doch in seinem auf Donatien gerichteten Blick lag Gier.
»Etwas, das nicht natürlich ist.«
Jean-François hob eine Augenbraue. »Ich habe Euch gerettet, vergesst das nie. Entschuldigt mich jetzt. Hier ist Euer Schlüssel. Künftig solltet Ihr Euren Raum abschließen.«
Donatien sah ihn verständnislos an. »Wie bitte? Ich verschließe meinen nie.«
»Euer Problem.« Jean-François machte auf dem Absatz kehrt und eilte hinfort. Er verschwand, als sei er ein Teil der Nacht selbst. Ein Traum, entschwunden und niemals gewesen. Doch die brennenden Wunden seines Leibes erinnerten Donatien daran, dass all das soeben Erlebte wahr war.
Donatien betrat das Haus und schlich die Treppe hinauf, um niemanden zu wecken. Céleste sollte ihn nicht so sehen. Außerdem wollte er ihr heute Nacht noch nicht von seinem Fund erzählen. Er wusste nicht, ob er jetzt schon dazu in der Lage war. Hölle, er wusste nicht, ob er jemals dazu in der Lage sein würde. Jetzt wollte er sich nur noch um seine Wunden kümmern, sich hinlegen und schlafen. Morgen würde er weitersehen.
Donatien stutzte. Sein Raum war verschlossen, wie merkwürdig. Darum diese Andeutung von Jean-François. Seltsamer Mensch oder was auch immer er war. Donatien schloss auf. Es war dunkel im Raum. Er brauchte kein Licht, da er eine gute Nachtsicht besaß.
Jemand lag in seinem Bett. Sogleich tastete er nach seinem Dolch. Als er vorsichtig nähertrat, erkannte er zu seiner Überraschung Céleste! Was tat sie hier? Hatte Jean-François sie in seinen Raum gesperrt? Womöglich war er ein Kuppler der schlimmsten Art. Donatien kannte seinen Ruf in Paris und der war übel genug. Er beschloss, Céleste nicht zu wecken. Er würde woanders übernachten und hoffen, dass Tante Camille sie nicht in seinem Raum finden würde.
Donatien befreite sich von seiner Kleidung und betrachtete die Wunden, die sich über seine Arme, Schultern und einen Teil der Brust zogen. Sie waren weniger tief, als es zuerst den Anschein gemacht hatte.
Notdürftig wusch er sich das Blut vom Leib, die Wunden aussparend. Er öffnete seine Truhe mit den Heilmitteln und entnahm ihr eine Flasche alkoholischen Kräuterauszugs, den er vorsichtig über die Wunden goss. Es brannte fürchterlich, doch er bildete sich ein, dass dieser Kräuterauszug eine wundheilungsfördernde Wirkung hatte.
Einst wandte er ihn gegen eine andere Erkrankung bei einem Patienten an und vergoss sie versehentlich über seine Hand, wo sich eine Schnittwunde befand, die daraufhin besser heilte. Sorgfältig stellte er die Flasche zurück in die Truhe und drapierte frische Kleidung über einen der Stühle. Nur die größeren Wunden, die noch bluteten, verband er.
Céleste erwachte. Ein Traum hielt sie noch umfangen, in dem sie durch den dunklen Wald irrte, doch niemanden fand. Weder Jeanne noch Jean-François und auch Donatien nicht. Alle waren für sie unerreichbar, für immer verloren, wahrscheinlich tot.
Sie rieb die Tränen aus ihrem Gesicht. Schlaftrunken versuchte sie sich zu orientieren. Sah sie richtig oder war sie noch immer in ihrem Traum gefangen? Jemand befand sich in ihrem Raum. Sein Gesicht lag im Schatten, so konnte sie nicht erkennen, wer es war. Aber es war doch abgeschlossen gewesen! Ein Mann war es. Ganz eindeutig ein Mann. Es war nicht zu übersehen in seiner Blöße. Panik durchfuhr sie. Ein Vergewaltiger oder ein loup-garou in seiner menschlichen Gestalt?
Sie stellte sich schlafend und begann gleichzeitig, einen Plan zu ersinnen. In der Truhe befanden sich noch zwei Obsidianmesser. Zudem trug sie den Anhänger. Ein Schutz vielleicht, doch wenn der loup-garou sie dennoch angriff, konnte sie ihn nicht mit einem Schmuckstein totwerfen. Sie musste an die Messer gelangen.
Der Mann wandte sich um und stopfte etwas in eine der Truhen. Das war die Gelegenheit! Hastig sprang sie auf zu Donatiens Waffentruhe. Sie fand den Griff eines der Messer und griff den Mann an. Dieser stieß einen überraschten Laut aus, wich seitlich aus, sodass sie ihn mit der Klinge nicht voll erwischte, und wandte sich um.
» Merde! Willst du mich umbringen, Céleste?«, fragte Donatien und betrachtete die neue Wunde. Erschrocken blickte Céleste auf das Blut an der Klinge.
»Es ist nur ein Kratzer, doch es hätte auch anders ausgehen können. Stichst du immer erst zu und fragst anschließend, wen du getötet hast?«
»Aber ich dachte … Oh, es tut mir so leid.« Tränen traten in ihre Augen. »Ich wollte
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