Wolfsmondnacht (German Edition)
Warum war ihm ihr Bäuchlein nicht aufgefallen? Juliette tat ihm leid. Fieberhaft überlegte er, was er tun konnte. Womöglich konnte Juliette trotz des Kindes für seine andere Firma arbeiten. Er musste sich darüber Gedanken machen.
Bald darauf kamen die Kunden und die Huren zogen sich mit ihnen zurück. Jean-François saß mit Estelle allein an dem Tisch, als drei Männer der Polizei das Bordell betraten.
» Bonsoir , Messieurs«, grüßte er sie.
» Bonsoir , Madame, Monsieur«, sagten die Männer zu Estelle, bevor sie sich an Jean-François wandten. »Monsieur Merdrignac?«
» Oui , der bin ich.«
»Wir haben einen Haftbefehl gegen Euch wegen unerlaubter Prostitution in Privathäusern.«
Erstaunt sah Jean-François den Männern entgegen. Wer hatte ihn verraten? Juliette oder Blanchard gewiss nicht. Zwei der Polizisten packten ihn an den Armen.
Ein letztes Mal warf er einen Blick zurück zu Estelle. »Au revoir, Estelle.«
Sie erwiderte den Abschiedsgruß und blickte ihm ebenso betroffen nach, wie er sich fühlte. Dann ging er mit den Polizisten hinaus auf die Straße. Es war dunkel und kalt. Der Wind zog ihm heftig an Haar und Kleidern. Seinen Umhang hatte er im Bordell vergessen, doch die Kälte war im Moment sein geringstes Problem. Sie bogen um eine der Straßenecken. Hier war es noch dunkler im Schatten der hohen Häuser.
Jetzt oder nie , dachte Jean-François und riss sich los. Einer seiner Ärmel wurde dabei zerstört, doch Jean-François entkam dem Griff der beiden Polizisten. Er rannte so schnell er konnte und es überraschte ihn selbst, wie die Häuser an ihm vorbeiflogen und wie geschickt er trotz der Dunkelheit einigen Passanten auswich. Erstaunt sah er um sich. Er war auf dem anderen Ufer der Seine, schneller als ein Pferdekarren ihn hätte befördern können und er war nicht einmal außer Atem. In der Tat brauchte er überhaupt nicht zu atmen.
Aus der Ferne erkannte er sein Haus, lief jedoch daran vorbei, denn dort würden sie ihn zuallererst suchen. Er klopfte an der Tür der Madame Mirabeau, die ihm wenig später öffnete. In ihrer Hand hielt sie ein Messer, offenbar bereit, jederzeit zuzustechen. Überrascht starrte sie ihn an.
»Bonsoir, Monsieur Merdrignac.« Sie ließ das Messer sinken. »Was führt Euch so spät zu mir?«
»Charles.«
Verwirrt sah sie ihn an. »Der neue König?«
Trotz der Anspannung musste er lächeln. » Non , mein Kater. Ich habe ihn Charles genannt.« Er griff in seine Tasche und zog seinen Schlüssel heraus. »Würdet Ihr bitte nach ihm und dem Haus sehen. Ich muss für eine Weile fortgehen.«
Sie nahm den Schlüssel entgegen. »Selbstverständlich, Monsieur. Als Händler seid Ihr sicher öfter auf Reisen?«
Jean-François ergriff ihre Hand und küsste sie. »Merci, Madame. Ihr habt mich gerettet.«
Sie errötete heftig, entzog ihm jedoch nicht die Hand, die er nach wie vor drückte und in der sie den Schlüssel zu seiner Vordertür hielt. Die Schlüssel zum Hintereingang und zum Keller behielt er für sich. Er war froh, die Katze nicht im Keller zurückgelassen zu haben.
» Au revoir , Madame Mirabeau.«
»Ihr müsst bereits aufbrechen?«
» Oui , Madame.«
Er entließ ihre Hand und lief hinaus in die Nacht, doch vernahm er noch ihren Abschiedsgruß und spürte ihren Blick in seinem Rücken, bis er außerhalb ihrer Sichtweite war.
Jean-François war jetzt ein Gesetzloser auf der Flucht. Es erschien ihm ratsam, die Stadt zu verlassen. Doch zuvor musste er zu Monsieur Blanchard. So suchte er dessen Haus auf und betätigte den ehernen Türklopfer. Es öffnete ihm der Diener, dem Jean-François kein Unbekannter war.
»Monsieur Blanchard ist gegangen«, sagte der Diener nach knapper Begrüßung. »Die Polizei war da.«
Jean-François sah ihn besorgt an. »Sie haben ihn doch nicht etwa festgenommen?«
» Non , er wird als Zeuge aufgerufen.«
»War eine Dame bei ihm?«
» Oui , Monsieur,seine Verlobte.«
Jean-François hob eine Augenbraue. Ihm war unbekannt, dass Monsieur Blanchard verlobt war. Wohl noch nicht lange, sonst hätte er früher davon erfahren. Im Grunde gingen ihm die privaten Verhältnisse seines Geschäftspartners nichts an. Allerdings dürfte es seiner zukünftigen Braut nicht allzu gefallen haben, dass Monsieur Blanchard Huren empfing. Wahrscheinlich wusste sie nichts davon.
»Merci, Monsieur«, sagte Jean-François. »Sagt niemandem außer Monsieur Blanchard persönlich, dass ich hier gewesen bin. Au revoir , Monsieur.«
Der
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