Wolfsmondnacht (German Edition)
Provision kassieren zu können. Als die beiden Vormieter hinter Eure Maskerade kamen, habt Ihr sie getötet.«
»Ich wollte sie nur erschrecken. Ich hatte nicht vor, sie zu töten. Wirklich nicht, Signor. So glauben Sie mir doch.« Der Schweißgeruch nahm zu. Die Lüge stank bis zur Decke des Raumes.
»Profit - dafür tut Ihr alles, nicht wahr?«
»Signor Rocchi ist reich. Es tut ihm nicht weh. Er hat mich mehrfach betrogen und zahlt eine miese Provision. Wovon soll ich mich und meine Familie ernähren?«
Ahnungen und Bilder tauchten vor Jean-François’ innerem Auge auf. Es waren die Gedanken auf der Oberfläche von Bertolos Geist.
»Lügner!«, sagte Jean-François. »Euer Weib hat Euch vor sieben Jahren verlassen, weil ihr Eure eigene Tochter zu einem Krüppel geschlagen habt.«
»Woher …« Bertolo brach ab und schluckte schwerfällig. »Das ist nicht wahr! Sie ging, weil ich zu arm war und mir immer alles gefallen ließ von Rocchi und all den anderen. Sie machten mit mir, was sie wollten.«
»Weil Ihr schwach seid, Bertolo. Ihr traut Euch nicht, Euren eigenen Willen durchzusetzen. Nur hintenrum, im Verborgenen, als Geist verkleidet in nach ranzigem Fett stinkenden Geheimgängen packt Euch dann der Mut und Ihr tötet die Unachtsamen, die vor Furcht Gelähmten. Doch jetzt nicht mehr.«
Bertolo starrte Jean-François voll Entsetzen an. Er versuchte, sich loszureißen. Vergeblich. Sein Blick brach kurz nach seinem Genick. Zutiefst angewidert ergriff Jean-François Bertolos Leiche, trug sie hinüber in den roten Salon und warf sie über den Balkon hinab in die Fluten des nachtdunklen Bacchiglione. Hoffentlich starben die Fische nicht daran.
Zwei Monate später
Jean-François hatte in Absprache mit seinem Vermieter einen Anbau am Haus vornehmen lassen, um mehr Lagerraum zu haben. Im Lager hatte er Seide aus Florenz, Genua und China, Kurzwaren und Kunstgegenständen aus Paris und Salz. Letzteres war es, das ihn neben der Seide am meisten Geld einbrachte. Sein Plan war nicht ohne Risiko, doch wie es schien, ging er in Kürze auf. Jetzt stand der nächste Schritt bevor.
Zufrieden lächelnd lief Jean-François die Straße entlang. Der Duft der letzten Sommerblumen, der in der Luft hing, beschwingte ihn. Bereits als Mensch hatte er den Spätsommer geliebt. Er vermisste die im Wind tanzenden Silberfäden und das changierende Sonnenlicht. Die Erinnerungen daran waren auf ewig in ihm bewahrt, doch verblassten sie bereits wie seine Haut, zur Farblosigkeit der Nachtfalter, denen die Flamme bis im Tode unberührbar blieb.
Noch immer verstand er nicht vollkommen, was er war. Zumindest war er gegen jede Krankheit und dem Alter gefeit, einem der größten Träume der Menschheit seit Anbeginn der Zeit. Wer war er, diese Geschenke gering zu schätzen?
Jean-François konnte sich nicht vorstellen, Paris auf ewig den Rücken zu kehren. Früher oder später trieb es ihn wieder dorthin zurück, wo alles seinen Anfang genommen hatte. Sein Herz und seine Seele war Paris. Vorerst würde er sein Geschäft noch von Padua aus betreiben. Später konnte er den Hauptsitz nach Paris verlegen und würde in Padua eine Zweigstelle führen.
Padua war kein Vergleich zu Paris, die er ewig in seinem Herzen tragen würde, doch auch sie war eine Stadt voll Flair und mit einer ihr eigenen Schönheit. Vor allem jedoch war diese Stadt ein guter Umschlagplatz für aus Paris importierte Güter.
Signor Rocchis Haus ragte vor ihm auf. Es war ein spätgotischer Bau, fünf Gehminuten vom Botanischen Garten entfernt. Trotz des Flamboyantstils und den zahlreichen Verzierungen wirkte er kalt und unpersönlich. Als er an die Tür klopfte, erinnerte er sich an das letzte Mal, an dem er hier gewesen war. Es war schwer gewesen, Signor Rocchi zum Anbau des Lagers zu überreden. Er gehörte zu jenen Leuten, die jede Art von Veränderung zunächst als Bedrohung ansahen. Doch da dies den Wert des Hauses steigerte, stimmte er letztendlich zu.
Ein Bediensteter öffnete die Tür und ließ Jean-François ein, nachdem dieser seinen Namen und sein Anliegen vorgetragen hatte. Er unterdrückte ein Niesen, das vom Staub und dem Modergeruch kam, der hier in der Luft lag. Wenig später empfing Signor Rocchi ihn.
»Gibt es Schwierigkeiten?«, fragte Signor Rocchi nach der Begrüßung.
Jean-François fühlte sich unwohl unter dessen taxierenden Blick, ließ es sich jedoch nicht anmerken.
»Falls man den Geist als Schwierigkeit ansehen mag.«
»Das wusstet Ihr, als
Weitere Kostenlose Bücher