Wolfsmondnacht (German Edition)
Ihr eingezogen seid. Eine weitere Mietminderung kommt nicht infrage.«
»Das ist nicht der Grund, warum ich hier bin. Ich möchte das Haus kaufen.«
Rocchi sah ihn erstaunt. »Es ist eines der ältesten Häuser meiner Familie. Das wird nicht billig.«
»Dann nennt mir Eure Preisvorstellung, wir beide lachen darüber und ich sage Euch, was ich zu zahlen bereit bin.«
Rocchi sagte ihm seinen Preis, der eine Unverschämtheit war in Anbetracht des renovierungsbedürftigen Zustands des Hauses.
»Die Hälfte!«
»Unmöglich, Signor.«
»Dann schlage ich zehn Prozent drauf.«
»Non!«
»Fünfzehn.«
»Non!«
»Behaltet Euer Geisterhaus. Ich gehe zu mit Signor Baratini. Der will ebenfalls ein Haus verkaufen. Wesentlich günstiger als das eure. Es ist zwar kleiner, doch deutlich besser erhalten.« Jean-François erhob sich und ging zur Tür.
»Wartet!«
Jean-François drehte sich zu Signor Rocchi um. » Oui ?«
»Ihr könnt es haben, auch wenn es mich in den Ruin treiben wird. Es wirft ohnehin nicht viel ab, sodass sich eine Renovierung für mich nicht gelohnt hätte. Keiner will es mieten wegen dieses Aberglaubens und ich konnte bisher keinen Ersatz für meinen Makler finden. Bertolo hätte einen Mieter gefunden. Er hätte auch einen besseren Preis dafür bekommen. Offenbar war ein derart geschäftstüchtiger Mann wie er einem Konkurrenten ein Balken im Auge. Schade um ihn. Schade!«
Wenn Ihr wüsstet , dachte Jean-François. Bertolo hatte nicht nur unverschämte Mieten bezahlt und die Hälfte davon für sich einbehalten, sondern auch noch die Mieter vergrault und einige davon in den Tod getrieben.
»Wenn ich nur wüsste«, sagte Signor Rocchi, »welcher schändliche Mensch ihn ermordet hat. Bezahlen müsste er dafür. Bezahlen!«
»Also gilt der Handel?«
» Si , Signor. Morgen Abend beim Notar Signor Fellini. Sie treiben mich in den Ruin. In den Ruin!«
Dabei war der Preis der für diese Lage übliche. Jean-François hatte sich zuvor darüber erkundigt. Offenbar hatte Bertolo seinem Auftraggeber ganz falsche Daten gegeben.
»Gerne geschehen. Au revoir , Monsieur.« Jean-François wandte sich um und ging.
Der Kauf des Hauses erwies sich als richtige Entscheidung. Bald konnte ihm niemand mehr diesen strategisch günstigen Standort streitig machen. Zudem verstand er es, die Angst, Neugierde und Sensationslust der Menschen für seine Geschäfte zu nutzen, indem er Gespensternächte veranstaltete, in denen besonders viele Bestellungen aufgegeben wurden.
2. Juni 1572
Jemand hämmerte gegen die Tür von Jean-François’ Haus.
»Welcher Tölpel schlägt mir die Tür ein?« Jean-François erhob sich fluchend vom Kanapee im roten Salon.
Alessio, der ihm gegenüber auf einem der Stühle saß, hob die Schultern. »Vermutlich einer deiner Kunden. Die rennen dir doch mittlerweile die Tür ein.«
»Sehr witzig.« Jean-François lief die Treppe hinunter und öffnete die Tür.
»Ich will zu Alexandre Lenoir!« Der Fremde war um die vierzig und etwas korpulent. Er trug hochwertige Kleidung, die im Gegensatz zu seinem rüpelhaften Verhalten stand.
»Was wollt Ihr?«
Der Mann baute sich vor ihm auf. »Ich bin Alfredo Giacometti.«
»Sollte mir Euer Name etwas sagen?«
Zornesröte trat in Giacomettis Gesicht. »Ihr seid nicht nur dreist, sondern auch arrogant. Ich sollte Euch verprügeln.«
»Kein Bedarf.« Jean-François schlug die Tür zu, woraufhin Giacometti diese wieder mit den Fäusten bearbeitete.
Jean-François öffnete erneut. »Würdet Ihr bitte aufhören, meine Tür zu demolieren?«
Giacometti stieß hörbar die Luft aus. »Ich habe jedes Recht, Eure Tür einzuschlagen, denn Ihr habt meine Tochter geschwängert.«
»Was?« Jean-François starrte ihn entgeistert an. Es war ihm bisher unbekannt, dass Bluttrinker mit Menschen Nachkommen zeugen konnten.
»Ihr erinnert Euch nicht einmal daran oder wollt Ihr Euch nicht erinnern?«
Jean-François studierte das Gesicht des Mannes, doch nichts daran erschien ihm vertraut. Keine Ähnlichkeit zu irgendeinem der jungen Weiber, die seine Wege oder sein Bett gekreuzt hatten, konnte er entdecken.
»Schätze, es war dunkel und sie hat mir nicht ihren vollen Namen genannt.«
Giacometti ballte die Fäuste. »Sie heißt Carina, stronzo .«
»Carina Stronzo? Kenne ich nicht.«
»Nicht Stronzo. Das ist ein Schimpfwort. Ich glaube, Ihr missversteht mich mit Absicht.« Giacometti trat, die Fäuste noch immer geballt, einen Schritt auf Jean-François
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