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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Er ließ seine Stimme verklingen.
    Ich wusste, was er meinte. Er arbeitete hier, warum also mehrere Blocks weit laufen, nicht zuletzt, da ihm der Weg zu seiner Wohnung nicht gerade leichtfallen dürfte? Die Bequemlichkeit, die dieses Zimmer im zweiten Stock bot, musste jedes Bedürfnis nach einem Tapetenwechsel bei Weitem überwiegen.
    „Ich sollte mich bedanken, dass Sie mich bleiben lassen“, sagte ich.
    „Na ja, schließlich steht der Mardi Gras bevor.“ Er zuckte die Achseln, wodurch sich die Muskeln in seinen Armen und seiner Brust anspannten und unter seiner Haut wellten wie geschmeidig dahinströmendes Wasser. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht sabberte, aber falls ich es doch tat, würde er es zumindest nicht sehen. „In der Not frisst der Teufel Fliegen, oui ?“, setzte er hinzu.
    Dass er ein französisches Wort gebrauchte, verwirrte mich. „Ich dachte, Ihre Vorfahren seien Spanier gewesen?“
    „Ich bin, was ich bin. Meine Familie existiert schon lange nicht mehr.“ Er wandte sich ab. „Jeder, den ich je kannte, ist tot.“
    Die Trostlosigkeit in seiner Stimme ging mir nahe. Mit Verlust und Trauer kannte ich mich aus; genau wie mit jener Sehnsucht, die zugleich tröstlich und schmerzvoll ist. Nur aus diesem Grund durchquerte ich das Zimmer, streckte die Hand aus und berührte ihn.
    Er hatte mich gewarnt, dies nicht zu tun. Warum konnte ich nicht auf ihn hören?
    Schon beim ersten Hautkontakt wirbelte er so blitzartig herum, dass meine Augen nur eine unscharfe Bewegung erfassten. Er packte meine Ellbogen, und seine Handflächen waren so heiß, dass mich die Empfindung zusammen mit dem Druck seiner Finger, der einen Tick zu fest war, zusammenzucken ließ.
    „John“, setzte ich an, und er fluchte, seine Worte eine Kombination aus Spanisch und Französisch, nur stieß er sie zu leise hervor, als dass ich sie – selbst wenn ich einer der beiden Sprachen mächtig gewesen wäre – hätte verstehen können.
    Ich starrte mein Spiegelbild in seinen Brillengläsern an; ich sah nicht so ängstlich aus, wie ich mich fühlte. Wieder wirkte ich hübscher, als ich eigentlich war, verlockend und verführerisch zugleich. Kein Wunder, dass er mich küsste.
    Mein Mund öffnete sich seinem mit einem Keuchen, als er mich auf die Zehenspitzen zog und seine Lippen auf meine presste. Er zauderte nicht; er raubte; er plünderte; ich bekam nicht genug davon.
    Ich gehörte nicht zu den Frauen, nach denen die Männer sich verzehrten. Zumindest war das bis dato so gewesen. Aber nun küsste mich John Rodolfo, als hätte er schon sein ganzes Leben darauf gewartet.
    Er erkundete meinen Mund, als wollte er sich jeden Millimeter genau einprägen. Seine Zähne schabten über meine Unterlippe, und der leise Schmerz brachte pure Wonne, noch bevor er über die winzige Wunde leckte und dann an ihr saugte. Der Druck an meinen Armen wurde sanfter; ich würde nicht weglaufen. Nein, ich ergab mich bereitwillig.
    Sein kurzer, gepflegter Oberlippen- und Kinnbart fühlte sich kratzig und weich zugleich an, und diese neue Empfindung verleitete mich dazu, meine Wange an seinem Gesicht zu reiben – und an anderen Stellen.
    Das Laken glitt zu Boden, was ich kaum bemerkte, da mein Bewusstsein und mein Körper vollständig auf unsere Berührung konzentriert waren. Meine Haut kribbelte, als würden elektrostatische Wellen von ihm zu mir laufen. Ich hatte mich noch nie so lebendig gefühlt.
    Er schmeckte nach Mitternacht. Er roch wie ein Sommerregen. Sein Haar unter meinen Fingern war schlüpfrig-nass und viel zu kurz. Ich konnte nicht anders, als meine Hand von seinem Hals über seine Schulter wandern zu lassen, dann seine Brust hinunter und immer tiefer.
    Kurz bevor sie seinen Bauch erreichte, schob er sich von mir weg, um sich zu bücken, das verlorene Laken aufzuheben und sich zu bedecken, wenngleich nichts seine Erektion hätte verbergen können, die knapp unterhalb seiner Hüfte ein Miniaturzelt aus weißer Baumwolle formte.
    Er räusperte sich. „Ich hätte das nicht tun dürfen.“
    „Mich hat es nicht gestört.“
    Sein Kopf ruckte nach oben. „Das ist eine ganz schlechte Idee.“
    „Was denn?“
    „Du. Ich.“
    „Mir kam es eher wie eine großartige Idee vor.“
    „Es gibt Dinge, von denen du nichts weißt …“ Er fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar und ließ sie in den kurzen Stoppeln verharren.
    Ich öffnete den Mund, um zu fragen: „Was für Dinge?“, dann klappte ich ihn wieder zu, als das helle Licht der

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