Wolfspfade 6
erstreckte sich neben der Kaffeetheke ein langer, schmaler, mit Computern bestückter Raum. Ich zahlte für eine Latte, ein Kleiebrötchen und eine Stunde Internetbenutzung, dann machte ich mich an die Arbeit.
Ich führte meine übliche Routinesuche nach Namen, Hintergründen und Kreditinformationen durch. Dabei entdeckte ich nichts, was Sullivan nicht auch schon gefunden hatte.
Während ich an meinem Kaffee nippte, kramte ich die Liste mit den Opfern und den Angaben zu Ort und Zeitpunkt ihres Verschwindens heraus. Etwas an den Daten der früheren Opfer erregte meine Aufmerksamkeit. Sie schienen einem gleichbleibenden zeitlichen Muster zu folgen.
Ich rief eine Astrologie-Seite auf und gab ein paar der Daten ein.
„Bingo“, murmelte ich. Die Leute schienen häufiger in Vollmondnächten einem Verbrechen zum Opfer zu fallen als in anderen.
Tatsächlich war das gar nicht so bizarr. Man kann jeden fragen, der irgendwo in der Nachtschicht arbeitet, und wird zu hören bekommen, dass bei Vollmond der Teufel los ist. Es würde mich nicht überraschen, wenn viele Serienmörder bevorzugten ihre Gräueltaten in seinem Schein zu begehen. Ich hatte die böse Ahnung, dass der Vollmond Blut heller glänzen ließ.
Aus reiner Neugier tippte ich weitere Daten ein. Als sie zeitlich näher an die Gegenwart rückten, verschwand das Muster. Vor sechs Monaten, als sich die Zahl der Morde/Vermisstenfälle verdoppelte, war nur bei sehr wenigen gerade Vollmond gewesen.
So viel zu meiner schönen Theorie.
Nichtsdestotrotz gab ich „Vollmond“ und „New Orleans“ in die Suchmaschine ein. Was ich bekam, war …
„Voodoo.“ Wenn das nicht passte.
„Sie interessieren sich für Voodoo?“
Ich hob den Kopf. Das Mädchen, das mich an der Theke bedient hatte – MAGGIE las ich auf ihrem Namenschild –, war gerade damit beschäftigt, leere Becher in den Müll zu stopfen und verwaiste Computerterminals zu desinfizieren.
Sie wirkte keinen Tag älter als sechzehn, obwohl ich annahm, dass sie älter sein musste. Ihre Haare waren in einem unmöglichen Schwarz getönt, das hervorragend zu dem Kajal passte, der ihre hellblauen Augen umrahmte. Sie wäre hübsch gewesen, hätte sie sich nicht so viel Mühe gegeben, es nicht zu sein. Ich fand auch nicht viel Gefallen an der tätowierten Schlange auf ihrem dünnen, blassen Arm, aber es war schließlich nicht mein Arm.
Ich schaute auf die Uhr. Meine Stunde war fast vorüber.
„Ich weiß nicht viel darüber“, gab ich zu.
„Ich schon.“
Ich richtete mich auf. Traf sich das nicht gut?
„Es gibt mehrere Voodoo-Läden in der Stadt“, fuhr sie fort. „Einige sind nur für die Touristen, andere bieten das echte Zeug.“
„Das echte Zeug?“
Meine Skepsis musste sich in meiner Stimme niedergeschlagen haben, denn Maggie hörte auf sauber zu machen und schaute mich an. „Voodoo ist eine anerkannte Religion. In der Royal Street gibt es eine geweihte Priesterin mit einem Laden und einem Tempel, auch wenn sie nicht mehr so oft dort ist, seit sie das Baby bekommen hat.“
„Die Voodoo-Priesterin hat ein Baby bekommen“, wiederholte ich einfältig.
Maggies Mundwinkel zuckten nach oben. „Vor etwa acht Monaten. Einen Jungen. Sämtliche Finger und Zehen dran – keine Spur von Schuppen oder einem Schwanz.“
„Haha.“ Ich hoffte wirklich, dass sie nur scherzte.
„Es gibt da noch ein paar andere Orte, an die ich Sie führen kann, falls Sie Interesse haben.“
„Nein, danke.“ Nette protestantische Privatdetektivinnen wie ich besuchten keine Voodoo-Priesterinnen, auch nicht aus Jux. Von so etwas bekamen wir Hautausschlag.
Das Mädchen reckte den Hals, um über meine Schulter zu spähen. „Wenn es Sie nicht interessiert, warum informieren Sie sich dann im Internet über Voodoo?“
„Pure Langeweile. Sie sagten, Sie wüssten ein wenig darüber Bescheid?“
„Ja, ich habe mich ein bisschen damit beschäftigt.“
Ich zuckte im Geist mit den Achseln. Was konnte es schon schaden zu fragen? „Ich habe ‚Vollmond‘ und ‚New Orleans‘ eingegeben und als Ergebnis ‚Voodoo‘ bekommen. Haben Sie eine Idee, warum?“
Sie runzelte die Brauen. „Bei Vollmond finden bestimmte Zeremonien statt.“
Ich erinnerte mich daran, dass letzte Nacht Vollmond gewesen war.
„Welche Art von Zeremonien?“, hakte ich nach.
„Tatsächlich funktioniert jede Zeremonie bei Vollmond besser. Er verfügt über unglaubliche Kräfte.“
„Hmmhm“, brummte ich, alles andere als überzeugt von der
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