Wolfspfade 6
zurück.“
Was nicht heißen musste, dass niemand ein Duplikat gemacht haben konnte.
King runzelte die Brauen. „Warum?“
Eigentlich wollte ich das mit dem verschwundenen Altar weiter für mich behalten, aber …
„Weißt du irgendetwas über Voodoo?“
Seine Miene wurde eisig, was seine ungewöhnlich hellen Augen noch heller wirken ließ. „Du denkst, nur weil ich schwarz bin, müsste ich mich mit Voodoo auskennen?“
„Nein, so war das nicht gemeint. Ich war bloß neugierig.“
„Geh jemand anderem mit deiner Neugier auf den Senkel. Ich bin als Baptist geboren und aufgewachsen. Mit diesem scheiß Voodoo hab ich nichts am Hut.“
„Entschuldigung“, murmelte ich. „Vergiss die Frage einfach.“
Ich stieg die Treppe zu meinem Zimmer hoch, wobei ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, für den Fall, dass die schwarze Katze wieder auftauchte. Ich hätte King nach ihrem Namen fragen sollen.
Mein Handy klingelte. Ich nahm an, dass es eine Nachricht meiner Eltern sein würde, die sich erkundigen wollten, ob meine Klamotten angekommen waren, und hörte sie ab. Ich lag richtig und auch wieder nicht. Die erste Mitteilung war von meiner Mutter, die genau das wissen wollte. Die zweite stammte von Sullivan.
„Ich wollte nur sichergehen, dass du gut angekommen bist.“ Es folgte ein langes Schweigen, bevor er leise hinzufügte: „Ruf mich an.“
Ich wählte seine Handynummer und hinterließ gleichfalls eine Nachricht. „Bei mir ist alles in Ordnung. Danke für das Sandwich und …“, ich wusste nicht, wie ich es ausdrücken sollte, „… die Unterhaltung“, entschied ich mich. „Wir bleiben in Kontakt.“
Der Geruch von Zigarettenqualm hing in meinen Haaren und in meiner Kleidung, deshalb nahm ich eine Dusche und ließ das heiße Wasser auf meine müden Schultern und leicht schmerzenden Füße prasseln. Das Kellnern war nichts für Weicheier.
Erstaunlicherweise machte es mir in gewisser Weise sogar Spaß. Es gab mir die Chance, mit den Leuten zu sprechen, ihnen Katies Foto zu zeigen. Ich hatte das Gefühl, endlich etwas zu tun, nachdem ich monatelang nichts getan hatte. Bisher hatte ich zwar noch kein Glück gehabt, aber zumindest bemühte ich mich.
Ich betrachtete mein gemietetes Zimmer, als mich eine Welle der Einsamkeit überrollte – was mich selbst überraschte. Klar, ich war weit weg von zu Hause, trotzdem hatte ich das Gleiche auch oft schon in Philly empfunden, wo ich nur zehn Minuten von meinen Eltern entfernt wohnte. Ich war auf eine Weise einsam, wie es nur eine dreiundzwanzigjährige Single-Frau sein kann. Ich sehnte mich nach jemandem, aber es gab niemanden.
Ich zwang mich, das Licht zu löschen und ins Bett zu steigen. Unten verklang die Musik, trotzdem hörte ich noch immer dumpfes Stimmengewirr, durchmischt von einem gelegentlichen schrillen Lachen. Nicht genug, um mich wach zu halten – wenn ich auch nur ein bisschen müde gewesen wäre.
Ich starrte zur Decke. Eigentlich hätte ich an Katie oder zumindest an den Fall denken und einen Plan austüfteln sollen, doch stattdessen musste ich unwillkürlich an John Rodolfo denken und daran, wohin er ging, wenn er sich in der Nacht herumtrieb, was er tat, wer er war.
Ich driftete an jenen Ort, wo die Zeit gleichzeitig verfliegt und stillsteht, in jenen Zustand, in dem man noch nicht richtig schläft, aber auch nicht wach ist. Ich sah ihn im Nebel umherstreifen – ebenso einsam, wie ich es war, sich nach jemandem verzehrend, der ihm half, die Nacht zu vertreiben.
Mit einem Ruck fuhr ich hoch. Im Club war Totenstille eingekehrt. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es waren drei Stunden vergangen.
Der Mond schien zum Fenster herein und schuf einen silbernen Pfad bis zu meinem Bett. Das ferne Heulen eines Zuges, des Windes oder … eines Tieres zerriss die Nacht.
Ich spitzte die Ohren, während es erstarb und von einem merkwürdigen Tappen ersetzt wurde. Neugierig glitt ich aus dem Bett und folgte dem silbernen Pfad zum Fenster.
Die Straße war verwaist, mit Ausnahme einer einzelnen Gestalt, die sich langsam in meine Richtung bewegte; sie schwankte leicht, als ob sie betrunken wäre, dabei ertastete sie sich mithilfe eines weißen Stabs mit roter Spitze ihren Weg entlang des Bürgersteigs.
Keine Ahnung, warum es mich so sehr überraschte, Rodolfo mit einem Blindenstock zu sehen. Wie sonst hätte er sich ohne einen Hund oder eine Begleitperson in der Stadt zurechtfinden sollen? Trotzdem ließ ihn das Hilfsmittel
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