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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Menschen hin?
    Hinter mir, ein Stück weiter die Decatur runter, entdeckte ich jede Menge. Auch vor mir, auf dieser düsteren Straße namens Frenchmen, tummelten sich kleinere Grüppchen. Aber in meiner direkten Umgebung war niemand.
    „Verdammt“, stieß ich hervor, dann hastete ich über den aufgebrochenen Gehsteig weiter in Richtung Rising Moon .
    Das Heulen ertönte wieder, aber diesmal erweckte es den Eindruck, als ob ein ganzes Rudel pelziger Tiere dem strahlend hellen Mond ein Ständchen brächte. Seltsam, aber es klang, als ob sie nicht weit entfernt in der Straße hinter mir wären, in der Richtung, in die Sullivan verschwunden war.
    Ich fuhr herum. Wo war er? Ich hätte ihn eigentlich noch immer sehen müssen, doch das war nicht der Fall. Wie konnte das möglich sein? Er war groß wie ein Hüne.
    Nervös folgte ich seiner Spur. Dabei nahm ich am Rand meines Blickfelds immer wieder schattenhafte Umrisse in den Seitengassen wahr. Aber sobald ich direkt hinsah, war da nichts.
    Ich erreichte den belebten Abschnitt der Decatur. Hier tummelten sich Touristen über Touristen, aber es war nicht ein einziger Polizist zu sehen.
    Ich zwang mich, mehrere Male tief einzuatmen, um mich zu beruhigen. Sullivan hatte eine Abkürzung genommen, das war alles. Bestimmt gab es davon Hunderte in New Orleans, und natürlich würde ein Detective jede einzelne kennen.
    Jetzt, da ich nicht länger allein war, hörte ich nichts mehr außer dem Rhythmus der Musik, die aus jeder offenen Kneipentür flutete; alles, was ich sah, war das Neon. Ich spielte mit dem Gedanken, mir den erstbesten Passanten zu schnappen und ihn zu fragen, ob er irgendwelche auffallend großen Hunde bemerkt oder ein unerklärliches Heulen gehört hatte, doch angesichts der weinseligen Euphorie, die die Menschen um mich herum verströmten, würde ich ihnen nicht glauben können, ganz gleich, was sie sagten.
    Mit schnellen Schritten nahm ich meinen Marsch zum Rising Moon wieder auf; dabei kreuzte nichts anderes meinen Weg als einsame, mondbeschienene Gassen.
    Am Ende des langen, schmalen Korridors zwischen den beiden Häusern stand ein Mann, der eine Zigarette rauchte. Noch bevor er mir das Gesicht zuwandte und sich der fast volle Mond in seinen Brillengläsern spiegelte, wusste ich, wer er war.
    Mein Herz macht ba-bumm . Sullivans süßer, zärtlicher Kuss war vergessen, als andere Erinnerungen in meinen Kopf drängten: der Geschmack seines Mundes, das Gefühl seiner Haut, der Duft seiner Haare. Die prägnante weiße Linie an seinem Handgelenk.
    Ich sollte John Rodolfo meiden wie die schemenhaften Wölfe, die durch die Nacht geisterten; stattdessen machte ich einen Schritt auf ihn zu, und er verschwand in dem Korridor. Noch bevor ich mich eines Besseren besinnen konnte, stürzte ich ihm hinterher, bis ich am anderen Ende des Durchgangs wieder ins Freie gelangte.
    Der einzige Hinweis auf ihn war ein Hauch von Tabakrauch im Wind.

 
    10
    Rodolfo trat in dieser Nacht nicht auf, folglich war die Anzahl der Gäste überschaubar. Um Mitternacht teilte King mir mit, ich solle die Fliege machen.
    „Keinen Schimmer, wo der Boss abgeblieben ist“, murmelte er.
    „Ich … äh … hab ihn vorhin draußen gesehen“, erklärte ich.
    King, der gerade ein Pilsglas unter den Zapfhahn hielt, schaute stirnrunzelnd hoch. „Hast du mit ihm gesprochen?“
    „Er ist verschwunden, noch bevor ich …“ Ich ließ meine Stimme verklingen. Er war verschwunden, noch bevor ich mich vergewissern konnte, dass er es tatsächlich war – aber wer sonst hätte dort im Mondlicht mit einer Sonnenbrille im Gesicht vor dem Club stehen sollen?
    „Eigenartig.“ King schob das Bier zu dem Kunden und schaufelte die Münzen in seine riesige Hand. „Normalerweise macht er sich nicht so früh aus dem Staub.“
    „Vielleicht hatte er wieder Kopfschmerzen?“
    Er presste die Lippen zusammen. „Es gibt nichts, was man für ihn tun kann, wenn er damit zu kämpfen hat. Außer ihn in Frieden zu lassen.“
    „Ich weiß.“
    „Mädchen, der Kerl hat massenhaft Probleme.“
    „Das weiß ich ebenfalls.“ Ich reichte ihm mein Tablett und den Notizblock. „Du hast behauptet, dass niemand außer mir hier wohnt.“
    „Das stimmt auch.“
    „Wer besitzt alles einen Schlüssel?“
    Mit schräg gelegtem Kopf dachte er über die Frage nach. „Ich, du und Johnny. Der wöchentliche Putztrupp. Der Buchhalter.“
    „Wie steht’s mit ehemaligen Angestellten?“
    „Ich bekomme die Schlüssel immer

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