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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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dann sind sie verschwunden. Manche sieht man nie wieder. Manche sieht man anschließend überall.“ Er musterte mich kurz. „Sie glauben mir nicht.“
    „Es klingt tatsächlich ein bisschen weit hergeholt.“
    „Ich besorge Ihnen eine Kopie der Berichte.“
    Ich erwiderte seinen Blick mehrere Sekunden, bevor ich den Kopf schüttelte. „Das ist nicht nötig.“
    Aus welchem Grund sollte er lügen? Warum sollte er anbieten, mir Berichte zu besorgen, wenn da keine Berichte waren? Und wenn es sie gab, machte das die Geschichte von den verschwindenden und wieder auftauchenden Toten real.
    Die nostalgische Jukebox in der Ecke wechselte mit einem dumpfen Poltern und einem leisen, metallischen Surren die Platte. Wie aufs Stichwort begann Petsy Cline „Crazy“ zu singen, und Sullivan stieß ein verächtliches Schnauben aus. „Mein Boss hat mich tatsächlich zur hiesigen Voodoo-Priesterin geschickt, damit ich feststelle, ob sie etwas über die verschwundenen Leichen weiß.“
    „Cassandra?“, fragte ich.
    Seine Augen wurden schmal. „Sie kennen sie?“
    „Nur vom Hörensagen. Sie scheint hier in der Gegend ja eine ziemliche Berühmtheit zu sein.“
    „Vor allem scheint sie meist gerade dann auf der Bildfläche zu erscheinen, wenn seltsame Dinge geschehen, aber das ist wohl zu erwarten.“
    „Was hat die Priesterin gesagt, als Sie sie befragten?“
    „Sie bestritt, jemals einen Zombie zum Leben erweckt zu haben.“
    Meine Augen weiteten sich. „Ich dachte, es ginge um Werwölfe.“
    „Zombies. Werwölfe.“ Sullivan rieb sich die Stirn. „Diese Stadt macht einen vollkommen konfus.“
    „Haben Sie je eine der verschwundenen Leichen wiedergefunden?“
    „Ja, eine einzige.“ Er ließ die Hand sinken. „Tauchte gegrillt auf dem St. Louis Cemetery Number One auf.“
    Ich war an dem in der Nähe des French Quarter gelegenen Friedhof vorbeigelaufen. Da New Orleans unterhalb des Meeresspiegels liegt – eine Tatsache, derer sich im August 2005 die Bewohner nur allzu bewusst wurden –, bestattet man die Verstorbenen in Ziegelmonumenten, die man hier „Öfen“ nennt. All die schneeweißen Grabsteine und überirdischen Grabstätten waren ziemlich unheimlich, trotzdem erklärten sie nicht das Auftauchen einer gegrillten Leiche.
    „Ich komm nicht mehr mit“, gab ich zu.
    „Der Leichnam verschwindet, und einen Tag später finden wir zwei brennende Leichen auf dem St. Louis Number One. Die DNA-Tests ergaben, dass es sich bei der einen um unseren verschollenen Toten handelte.“
    „Und die andere?“
    „Eine frisch verstorbene ältere Frau, die wenige Tage zuvor beerdigt worden war.“
    „Eine Sekte?“, schlug ich vor.
    „Möglich. Sogar verdammt wahrscheinlich. Der Voodoo-Glaube ist hier weitverbreitet.“
    „Nach allem, was ich gehört habe, ist Voodoo aber keine Sekte.“
    „Eigentlich nicht, aber wer kann schon wissen, was sich irgendein Irrer vielleicht daraus zurechtbastelt?“
    Da hatte er nicht ganz unrecht. Man nehme eine Person am Rande des Wahnsinns, kombiniere sie mit einer Religion, bei der die Grenzen zwischen dem Natürlichen und dem Übernatürlichen fließend verlaufen, und schon könnte daraus eine Leichen stehlende Sekte entstehen.
    Sullivan trank seine Limonade aus und stellte das leere Glas klirrend ab. „Irgendetwas geschieht direkt unter der Oberfläche“, brummte er. „Es ist, als würde da noch eine völlig andere Welt existieren, eine, von der die meisten Menschen nichts ahnen.“
    Ich zog die Stirn kraus. Wer klang jetzt verrückt?

 
    9
    „Lassen Sie uns aufbrechen.“ Sullivan stand auf und warf ein paar Münzen auf die Theke.
    Ich bedankte mich und sah auf die Uhr.
    „Haben Sie noch was vor?“, wollte er wissen.
    „Ich muss heute Abend arbeiten.“
    Wir traten auf die Straße. Die Dämmerung war inzwischen angebrochen und verbreitete im Quarter eine schläfrige Atmosphäre, die sich rasch auflösen würde, sobald sich die Nacht vollkommen herabgesenkt hätte und Neonlichter den Himmel erleuchteten. Dann wäre es vorbei mit der Schläfrigkeit.
    „Ich wünschte, Sie würden das nicht tun.“ Sullivan fasste nach meinem Ellbogen und zwang mich stehen zu bleiben.
    „Ich weiß. Aber ich muss.“
    Er zögerte, und für einen kurzen Moment befürchtete ich, dass er weitere Einwände erheben würde, doch dann beließ er es bei einem flüchtigen Lächeln. „Kommen Sie, ich bringe Sie hin.“
    „Das ist vermutlich keine gute Idee.“
    Sullivan legte den Kopf schräg. „Haben

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