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Wolfspfade 6

Wolfspfade 6

Titel: Wolfspfade 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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des Halbmondes zu bestimmen, ob es sich bei der Erscheinung um einen Hund, einen Kojoten oder einen Wolf handelte. Als sie vor mir in die Frenchmen Street einbog, setzte ich ihr nach.
    Das uralte Pflaster unter meinen Füßen war schmierig von Gott weiß was. Ich schlitterte und rutschte, bis ich endlich am anderen Ende des schmalen Durchgangs ins Freie stolperte.
    Es war weit und breit kein wie auch immer geartetes Tier zu sehen.
    Ich hielt den erstbesten Touristen auf. „Haben Sie … einen Hund vorbeirennen sehen?“
    Der Mann, der mit derart vielen Mardi-Gras-Perlen behängt war, dass seine Schultern von dem Gewicht nach unten gedrückt wurden, gackerte und verschüttete dabei den Großteil seines Cocktails über die Vorderseite meiner Bluse. „Hast du einen kleben?“, fragte er, was ich angesichts seines eigenen Zustands für ziemlich verwegen hielt.
    Ich starrte den sich ausbreitenden bronzefarbenen Fleck auf meinem weißen Oberteil an. „’Schuldigung“, nuschelte er und versuchte, ihn wegzuwischen, natürlich nicht, ohne mich dabei zu begrabschen.
    „Hey!“, rief ich, und er hob abwehrend die Hände, um zu verhindern, dass ich ihm eine knallte. Als ich an ihm vorbeieilte, rief er mir hinterher: „Bei diesem Gesicht könntest du wenigstens ein paar anständige Titten haben.“
    Er und seine Kumpane brachen in Gelächter aus. Ich dachte noch mal darüber nach, ob ich ihm nicht doch eine verpassen sollte, beließ es dann aber bei der Hoffnung, dass sie sich später noch ins Rising Moon verirrten, wo ich in jeden einzelnen ihrer Drinks spucken würde.
    Ich kämpfte mich durch die Menschenhorden; King würde vor Freude außer sich sein, wenn ich nicht bald zurückkäme, aber selbst diese Sorge konnte mich nicht aufhalten. Ich hatte etwas gesehen und würde herausfinden, was es war.
    Endlich lichtete sich die Menge. Ein Stück vor mir entdeckte ich Sullivans vertraute Gestalt. Ich wollte gerade nach ihm rufen, als er in eine Seitengasse einbog.
    Sollte ich ihm nachlaufen oder weiter meiner bisherigen Richtung folgen? Wenn da wirklich ein Wolf oder etwas vergleichbar Außergewöhnliches auf der Frenchmen gewesen wäre, hätte dann nicht längst jemand einen Kommentar dazu abgegeben?
    Ich begann schon zu glauben, dass ich Gespenster sah – beziehungsweise hörte –, als ein tiefes, lang gezogenes Heulen zum sichelförmigen Mond aufstieg.
    Nur wenige Leute waren mit mir auf der Straße, aber ein paar von ihnen blieben stehen und starrten stirnrunzelnd zum Himmel hinauf.
    „Haben Sie das gehört?“, fragte ich eine Frau in meiner Nähe.
    „Ein Kojote?“, mutmaßte sie. „Das klang schrecklich nah.“
    Das war kein Kojote gewesen; zudem befürchtete ich, dass es näher gewesen war, als einer von uns auch nur ahnte. Ich hastete in die schmale Gasse zwischen zwei Häusern, in der Sullivan verschwunden war, dann erstarrte ich bei dem Anblick, der sich mir bot.
    Zu groß, um ein Hund zu sein, zu massig für einen Kojoten – und das Biest war riesiger, als irgendein Wolf sein sollte. Im diffusen Silberglanz des Mondes konnte ich die Farbe nicht genauer erkennen, ich wusste nur, dass sie hell war; gleichzeitig verhinderten die grellen Lichter in meinem Rücken, gepaart mit der Düsterkeit der Gasse vor mir, dass ich seine Augen sehen konnte. Während ich einfach nur wie gelähmt dastand, hob das Biest die Schnauze und heulte ein weiteres Mal.
    Der Ton war so laut, so wild, so schockierend, dass ich blinzelte, und in dieser winzigen Sekunde verschwand der Wolf.
    Sobald er weg war, konnte ich mich wieder rühren, wieder denken; ich rannte weiter, weg von der Betriebsamkeit und relativen Sicherheit der Decatur Street, weg von den Straßenlaternen, der Musik, den Menschen, und hinein in die einsame Finsternis dieser vergessenen Gasse.
    Als wäre der Teufel hinter mir her, jagte ich auf das andere Ende zu, als ich plötzlich über etwas stolperte.
    Mit den Händen über das Pflaster schrammend, flog ich nach vorn, bevor ich, alle viere von mir gestreckt, auf jemandem landete und bei meinem Versuch aufzustehen in etwas ausrutschte, von dem ich inständig hoffte, dass es kein Blut sein würde, obwohl es das vermutlich doch war.
    Ich öffnete den Mund zu einem Schrei, aber kein Laut drang heraus. Mein Verstand bebte ebenso unkontrolliert wie meine Beine. Ich brauchte mehrere Sekunden, um mir darüber klar zu werden, was ich tun sollte.
    Ich klopfte meine Taschen nach einem der Streichholzbriefchen ab, mit denen das

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