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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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Transformation gehabt hatte, war dem Rudel auf einem Pferd gefolgt.
    Als der Mann näher kam, erkannte sie ihn an seinem steifen Hut, der bunten Weste und an seinem ungelenken Gang. Seine Kleider waren zerrissen, und er war unrasiert; aber das war zweifellos auf die Mühen zurückzuführen, die er auf sich genommen hatte, um hierher zu gelangen. »Na so was«, sagte sie, »Mr Claggart! Wie seltsam, dass Sie uns nachreisen.«
    »Made- mäusel Martinique!«, sagte Claggart. »Ich hätte nie damit gerechnet, mitten im Nichts eine wahrhafte Dame anzutreffen!
Hätten Sie vielleicht einen kleinen Happen für einen Verhungernden übrig, Madam? Und einen kleinen Schluck zu trinken?«
    »Wie haben Sie uns gefunden?«, fragte sie, klatschte in die Hände und ließ einen weiteren Stuhl bringen. Dann bat sie den Diener, noch ein zweites Glas zu füllen, denn obwohl der Mann ein Scharlatan und Tagedieb war, konnte sie ihm die Gastfreundschaft kaum verwehren. »Ich dachte, Ihr Zugabschnitt hätte die Reise nach dem unglückseligen … Raubüberfall fortgesetzt.«
    »Das ist richtig, Madam, wir erreichten den nächsten Bahnhof ohne Probleme. Aber dort lauerte mir in Big Springs ein Marshall auf. Anscheinend habe ich, als ich der Stadt das letzte Mal den Rücken kehrte, ein paar Menschen mit unangenehmen Erinnerungen zurückgelassen … ich möchte nicht näher darauf eingehen, Madam. Aber aufgrund meiner prekären Position hielt ich es für das Beste, mir ein Pferd zu entleihen und die Gegend zu verlassen. Ich wollte zurück nach Deadwood. Mein Weib hat mich seit Monaten nicht mehr gesehen, aber Ehefrauen, Gott segne sie, bieten einem in schwierigen Zeiten einen gewissen Schutz. Dann entdecke ich die Wagenspur in den Sandhills und frage mich, wer wohl auf einer so verlassenen Straße nach Norden zieht, wo es doch die Postkutschenstraße von Cheyenne nach Deadwood und außerdem den Zug gibt. Und ich denke mir, Leute, die diese Straße nehmen, müssen was zu verbergen haben. Oder irre ich mich, Madam?«, fragte er und stürzte den Wein hinunter.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, antwortete Speranza.
    Cordwainer Claggart schaute sie scheel an. »Sie haben sich um einen kleinen Jungen gekümmert … ein hübscher kleiner Kerl, ein Aristokrat.«
    »Der kleine Johnny ist mein Schützling«, bestätigte Speranza, »aber er ist im Augenblick bei seinem Vater.«
    »Am Tag vor dem Überfall«, sagte Claggart und starrte ihr
aufmerksam in die Augen, »habe ich ihn in einer höchst ungewöhnlichen Situation überrascht. Ich würde ihn wirklich gerne näher kennenlernen.«
    Speranza irritierte es, dass der Kartenhai so unvermittelt aufgetaucht war, und noch mehr, wie er über Johnny sprach. Sie versuchte, das Thema zu wechseln. »Wenn Sie den weiten Weg auf sich genommen haben, weil Sie jemanden suchen, dem Sie Ihre Kartentricks vorführen wollen Mister, dann werden Sie hier genügend willige Opfer unter der Dienerschaft finden.«
    »Leider, Mademäusel, sind meine Tage als Spieler gezählt. Mein Ruf hat sich bis an die Grenzen Nebraskas verbreitet, und auch im Dakota-Territorium kennt man mich allzu gut. Eine Karriere sollte man nach drei oder vier Jahren abbrechen, wenn man keine Lust hat, an einem Baum zu enden. Ich war einmal verdammt nah dran, in Cheyenne für meinen patentierten Floccinaucinihilipilificator gehängt zu werden, deshalb habe ich zum Glücksspiel gewechselt - ich dachte, das wäre ein ehrbarer Beruf. Schätze, es wird wieder Zeit für einen Wechsel.«
    Speranza musste lächeln. Nach all den übernatürlichen Schrecken, die sie heute Abend gesehen hatte, fand sie diese ehrliche, menschliche Gaunerei fast liebenswert. Sie sagte: »Vielleicht wird der Graf Sie engagieren. Er braucht jemanden, der das Territorium gut kennt; und ich bin überzeugt, dass niemand es besser kennt als ein Mann, dessen Beruf ihn bisweilen mit dem Gesetz in Konflikt bringt.« Vielleicht wäre der Mann auch ein Verbündeter, dachte sie. »Sie könnten zusammen mit uns nach Norden reisen. Die Diener können Ihnen ein Bett am Feuer bereiten … obwohl ich Ihnen zu Ihrer eigenen Sicherheit empfehlen würde, innerhalb jenes Kreises dort zu schlafen.«
    Sie deutete dorthin, wo sie vorhin gestanden hatte. Wo der Graf es markiert hatte, leuchtete das Gras gespenstisch blau, als wäre es mit Phosphor bestrichen worden. Cordwainer Claggart
schaute hinüber, dann schüttelte er den Kopf. »Ich will niemandem dienen, Madam; lieber wäre ich ein Krimineller, als

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