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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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es ja nicht.« Ihre Nähe, ihre offenkundige Leidenschaft raubten ihm den Verstand.
    »Küss mich.«
    Er drückte sie an sich. Aber bevor seine Lippen ihre berührten, packte sie seine Hand so fest, dass er vor Schmerz aufschrie, dann entwand sie sich mit einer unglaublichen Behändigkeit seinem Griff, sodass er stolperte und mit dem Gesicht voran zu Boden stürzte. Er schmeckte Tauwasser, vermischt mit schlammigem, laubigem Waldboden.
    Als er aufblickte, sah er, wie sie sich verwandelte. Und sie sprach zu ihm, während sie ihr Äußeres änderte, mit tieferer, kehligerer Stimme, fast wie ein Hund. »Du hast Wasser aus meinen Pfotenabdrücken getrunken, mein kleiner blonder Soldat!« Und der Pelzstreifen auf ihrer Wange pulsierte, breitete sich über das ganze Gesicht aus.
    »Wasser …«, keuchte er.
    »Bald wirst du sein wie ich. Wenn Graf mich wegen dummer Erzieherin verstößt, dann ich habe wenigstens, was ich will.
O Captain Harper, du bist schön, aber bald du bist mehr als schön … du wirst sein Tier, Tier …« Und bei diesen Worten verzerrte sich ihr Mund zu einem wilden Maul, und ihre Augen wurden schmal und glitzerten, und sie warf sich neben ihn auf den Boden und wälzte sich aus ihren Kleidern und ihr Geruch wurde stärker, erfüllte ihn mit unstillbarer Lust, und sie stürzte auf ihn, Geifer tropfte auf sein Gesicht, sie zerriss seine Uniform mit ihren Fangzähnen, erstickte ihn fast mit den Stofffetzen. Er spürte ihre Pfoten zwischen seinen Hinterbacken, spürte Fell und Klauen am Schaft seines Penis, und er dachte, das ist nicht wahr, das darf nicht wahr sein, ich kann diese Gefühle nicht haben, und er versuchte seine Erektion zu unterdrücken, aber ihre Ausdünstung wurde immer stärker. Sie presste ihn auf den Boden und streckte ihm ihre Hundefotze ins Gesicht, und jetzt war sie ganz und gar Wolf mit rotem Fell, stark, und ihr Lachen war ein hohes Kläffen. Er versuchte sein Gesicht freizubekommen. Er brüllte: »Zeke, Zeke … hilf mir …«, und wollte seinen Colt aus dem Halfter zerren, aber der klemmte.
    »Zu spät«, knurrte der Natalia-Wolf; es klang wie die Parodie einer Menschenstimme. »Du-hast-getrunken-Wasser-aus-Abdruck -«
    Er hörte die Frau kreischen: »Hiyá, Zeke, hiyá!«, dann den Jungen: »Zeke, bleib im Kreis!«, und den Falsettgesang des alten Indianers.
    Als Nächstes begriff er, dass Zeke sich auf den Natalia-Wolf geworfen hatte. Als Scott sich unter der Wölfin hervorrollte, berührte seine Hand den Schutzkreis. Er spürte einen dumpfen, pochenden Schmerz. Als sollte er abgewiesen werden. Als würden die Frau und das Kind vor ihm beschützt. Er setzte sich auf und sah seinen Freund mit der Wölfin kämpfen. Die Indianerin stieß einen gellenden Schrei aus. Es war der Schrei einer Frau, der ihr Mann genommen wird. Und dann sah er, was der Wolf mit Zeke machte. Er saß reglos daneben, zu entsetzt, um etwas unternehmen zu können. In seinen Augen standen Tränen
und kalter Schweiß. Das Wesen riss Zeke in Stücke, überall war Blut, das im Mondlicht schwarz und metallisch glänzte. Er hörte ein Rückgrat knacken, sah, wie die Wölfin die Eingeweide aus dem aufgerissenem Bauch wühlte - zu spät fingerte Scott nach seinem Colt und feuerte alle Patronen auf die Wölfin ab, und er wusste, dass es zu spät war, dass er seinen Freund nicht mehr retten konnte, dass Zeke von jener Bestie ermordet worden war, die er begehrt hatte.
    »Schnell in den Kreis«, sagte der Junge und zupfte an seinem Ärmel. Die Frau nahm seinen anderen Arm. Der Flammenkreis versengte ihn, aber er biss die Zähne zusammen und ertrug den Schmerz. Er wusste, dass er noch keines dieser Wesen geworden war, gleichgültig, was sie behauptete. Er saß und starrte die Wölfin an, die methodisch den Leichnam auseinandernahm. Sie blickte ihn an, eine abgetrennte Hand im Maul. Und als sich ihre Blicke trafen, spürte er erneut Lust, und sein Penis regte sich wieder, und er schrie: »Nein, nein, nein!«, und presste die Augen zu, bis die Tränen über seine Wangen strömten.
    »Idiot!«, zischte der Junge. »Schauen Sie nicht hin, denken Sie nicht dran.«
    »Zeke … ist mein Freund, du hast ja keine Ahnung …«
    »Er ist nicht mehr zu retten«, sagte der Junge.
    »Seine Frau …«
    »Sie wird’s überleben. Sie ist Indianerin. Sie weiß, was Leben und Tod bedeuten, Mister. Und ich bleib’ bei ihr. Ich lauf nicht mehr fort. Ich werd’ meinen Pa nie mehr finden. Ich bleib’ hier und jag’ für sie und sorg’

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