Wolfsruf
verwandelt!«
»Neeeeiiin!«, heulte der alte Mann. »Ich tanze, um euch zu schützen … ich rieche die Gefahr, die dem Jungen droht!« Und er stand wieder auf und zog einen Kreis um sie, hielt in allen
vier Himmelsrichtungen inne und ließ ächzend Wasser. »Ich bin zu alt, um mich noch zu wandeln … yahéhéhé … aber ich kann immer noch auf den Boden pissen und ihn heilig machen … yaháháhá … und einen Schutzkreis gegen eure Feinde ziehen …«
Der Nebel lichtete sich. Der Mond schien auf sie herab. Teddy fror immer noch, und die Decke kratzte auf seinen Wangen, seinen Händen. Er konnte das Dorf jetzt deutlich erkennen. Hie und da glühte in einem Tipi ein Feuer. Das Geheul der Wölfe kam näher, näher, näher -
Teddy schrie: »Die Washichun Shungmanitu kommen! Wacht auf, wacht auf!«
»Du kannst ihnen nicht helfen, Junge!« Der alte Mann hielt in seinem Tun inne und sprach mit plötzlicher Klarheit: »Die Wölfe werden sich durch das Dorf fressen. Das Dorf bedeutet nichts mehr. Ich bin hier, um den Kreis zu ziehen … der Kreis, in den der eine, der uns retten kann, gezogen wird, obwohl du in diesem Lied keinen Platz hast, wirst du geschützt sein, solange du im Kreis verweilst …«
Das Heulen kam näher, kakophon, mächtig, grauenhaft.
Teddy schaute ihn entsetzt an. Seine Mutter sang lautlos ein Lied: War es ein Todeslied? Er konnte ihre Lippen nicht lesen. Hinter ihnen wachten die Menschen in den Tipis auf, lugten zwischen den Zeltwänden vor, starrten einander mit großen Augen an.
Dann, auf der anderen Seite des Baches -
Hufschläge. Wiehern. Knurren. Knackend tasteten sich Pfoten durchs Unterholz. Und Teddy sah einen Mann auf einem Pferd, der zum Bach jagte. Die Wölfe waren ihm auf den Fersen. Er trug die Uniform der Kavallerie. Er war schon lange geritten. Die Wölfe sprangen dem Pferd in die Flanke, rissen ihm das Fleisch von den Knochen. Und Zeke schrie: »Harper!«, als der Gaul strauchelte und stolperte und die Wölfe sich darauf stürzten -
Um sie herum befand sich der Kreis, den der Alte gezogen hatte. Es war tatsächlich ein Kreis, wie Teddy jetzt sah, ein Kreis aus blassblauem Feuer, das sein geisterhaftes, flackerndes Licht auf seine Mutter und die anderen warf, das sich in den Augen der Wölfe spiegelte.
Und Zeke brüllte: »Ich komm’ dich holen!«, und wollte auf das Bachufer zulaufen, aber der Alte hielt ihn mit einer Geste davon ab und schritt selbst aus dem Kreis. Er hob die Arme. Die Wölfe zögerten. Ihre Fänge waren blutverschmiert.
Der alte Mann spielte eine einfache Melodie auf seiner Flöte, und die Wölfe heulten in Erwiderung darauf. Zugleich aber teilten sie sich, sodass der junge Offizier aus dem Bachbett klettern konnte. Sein Gesicht war blutig, seine Uniform zerfetzt. Zeke und Teddy wagten sich an den Rand des Kreises. Sie beugten sich so weit wie möglich vor, bis sie den Mann über die Grenze zerren konnten.
Ein Wolf stand abseits des Rudels. Teddy erkannte ihn an dem silbernen Fellstreifen auf seiner Stirn. Er sagte: »Das ist ihr Anführer.« Der Wolf sprang über den Bach und näherte sich dem Kreis. Als seine Pfote die blaue Flamme berührte, zog er sie mit einem schmerzhaften Aufjaulen wieder zurück. Der alte Mann spielte, und die Flamme wurde heller.
Der Wolf schaute den Alten lang und unverwandt an. Es war der Blick, mit dem ein Wolf seine Beute fixiert, um ihr zu sagen, dass die Jagd vorüber und es Zeit zu sterben ist.
Aber der alte Mann spielte weiter und erwiderte den Blick des Wolfes, als wären sie gleichrangig und beide Führer. Und in den Augen des Alten lag Ruhe.
Der Wolf, der auch der Graf von Bächl-Wölfling war, hob seinen Schweif und brüllte vor Wut. Er versuchte, die blaue Flamme mit seiner Pisse zu löschen. Aber der Alte spielte immer weiter.
Die anderen Wölfe warteten.
Scott Harper lag innerhalb des Kreises. Er japste nach Luft. Der Himmel wusste, wie lang er schon geritten war. Er keuchte:
»Sanderson schickt mich nach dir, Zeke Sullivan. Er will dich hängen lassen, als Deserteur.«
»Er hat dich geschickt?«, fragte Zeke. »Er weiß, dass du mein Freund bist.«
»Er wusste es. Er will ein Exempel statuieren. Zeke …« Scotts Stimme brach, und Teddy ging zu ihm hinüber, um die Decke über ihn zu legen. »Zeke, ich will nicht mehr bei der Armee sein. Ich habe Albträume. Ich sehe immer wieder, wie Sanderson dieses Baby aus der Wiege stieß. Ich sehe das tote Baby im Schnee liegen. Und die verdammten Wölfe. Sie
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