Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
Vom Netzwerk:
es überlebt. Sein Begleiter war Cordwainer Claggart. Teddy erstarrte. Er hatte gehofft, dem Kartenspieler nie wieder zu begegnen.
    »Scheiße«, flüsterte er. »Dieses Scheusal hat neun Leben! Als ich ihn das letzte Mal gesehen hab, ist er grade im Pacific Express verblutet.«
    »Der andere Mann ist Major Sanderson«, ergänzte Scott.
    Die beiden Männer kamen jetzt an ihnen vorbei. Sie waren auf dem Weg in Richtung Hauptstraße. »Sie haben mich ganz schön ausgenommen beim Black Jack, Mr Claggart!«, erklärte der Major. »Fünfhundert Dollar! Wenn ich die Karten nicht selbst ausgeteilt hätte, hätte ich schwören können, dass Sie betrügen.«
    »So etwas sollten Sie nicht zu einem Mann sagen, der all sein Hab und Gut bei einem Raubüberfall verloren hat, Major; und der bei seiner Heimkehr feststellt, dass sein Weib mit einem philanthropischen Hurenbock rumrammelt.«
    Sie waren bald außer Hörweite, und Scott sagte schließlich: »Ich verstehe es nicht … was haben die hier zu suchen?«
    »Im Chinesenviertel? Wahrscheinlich haben sie sich Opium gekauft.«
    »Nein Teddy, nicht nur … es sah aus, als wären sie gerade von deinem Pa gekommen.«
     
    Etwas später stand Teddy Grumiaux endlich seinem Vater gegenüber. Es war ein schwieriger Augenblick. Die Chinesin, mit der er jetzt zusammenlebte, machte es nicht leichter. Sie war seiner Mutter in manchen Dingen ähnlich - sein Pa mochte zierliche Frauen, das stand fest -, und sie bewegte sich genauso wie sie. Und der Raum roch seltsam: nicht nur wegen des Opiums. Das Essen roch komisch, und die Frau, die es kochte, auch. Doch sie gab ihm eine Schale, und obwohl sie es anders nannte, schmeckte es verdammt noch mal wie Innereien-Eintopf - zerhackte Kalbsnieren und Bries mit Hirn -, ein stinknormales Essen der Weißen.

    Sein Vater sagte kein Wort zu Teddy, kein einziges Wort. Und Teddy sagte auch nichts. Hier war alles anders. Wenigstens gab es Stühle und stabile Wände hier, nicht wie in einem Tipi. Aber die Luft war abgestanden und muffig, und der Wind wehte nicht, und es duftete nicht nach frischem Gras - das Opium machte einem das Atmen schwer, verstopfte alle Poren.
    Teddy beschränkte sich darauf, in einer Ecke zu sitzen und den Männern zuzuhören. Sie sprachen über viele Dinge, die er nicht verstand, aber eines war klar - sein Pa wusste alles über diesen fremden Grafen, hatte sozusagen für ihn gearbeitet.
    »Das erklärt auch die Information, die Major Sanderson mir eben gegeben hat«, meinte er zu Scott. »Offenbar hat es dramatische Veränderungen bei den Aktien der Fremont, Elkhorn and Missouri Valley Railroad gegeben. Dieser Graf hat ein seltsames Spiel mit den Aktienbesitzern getrieben, und … nun, es sieht so aus, als würden alle Arbeiten eingestellt, wenigstens vorübergehend. Vielleicht bis 1886. Der Graf hat alles getan, um die Eisenbahn zu kaufen, und nun - wo er sie zu kontrollieren scheint - sieht es so aus, als würde er sie ruinieren. Sieht aus, als wäre ich meinen Job los.«
    Scott sagte: »Scheiße, er wollte nie, dass die Eisenbahn gebaut wird. Er wollte sie immer schon lahmlegen.«
    »Vraiment«, bekräftigte Grumiaux. »Sie haben recht.«
    Dann erzählte Scott Grumiaux, wie Zeke getötet worden war. Teddys Pa war entsetzt; ganz offensichtlich waren sie Freunde gewesen. Grumiaux spottete nicht, als Scott die Werwölfe beschrieb; er hatte sich seit Langem damit befasst und glaubte, dass es sie gab.
    Aber Teddy fühlte sich trotzdem verletzt, weil sein Vater kaum Gefühle zeigte, als er seinem Sohn gegenüberstand, und stattdessen beinahe weinte, als er von Zekes Tod hörte.
    Ob mein Pa wohl gedacht hat, ich bin tot, fragte er sich. Ich frag’ mich, ob er wegen mir geweint hat. Ich kenn’ diesen Mann gar nicht, den ich jahrelang gesucht hab.

    Er starrte seinen Vater an, versuchte, schlau aus ihm zu werden.
    »Wir müssen jetzt gehen«, sagte Scott, »bevor sie uns finden. Ich nehme an, dass man mich bald suchen wird.«
    »Wohin wollen Sie?«, fragte Grumiaux.
    »In die Berge. Vielleicht kann ich den Sioux bei ihrem Kampf gegen diesen neuen Feind helfen. Mich rächen. Für Zeke.«
    »Für Zeke.« Nach einer Weile sagte Grumiaux: »Da ich nicht mehr für die Eisenbahn arbeite, kann ich ebenso auf die Jagd gehen, non? Ich habe früher in Kanada Wölfe gejagt, wegen der Prämie. Aber mit diesen loups garoux kann man kein Geld machen - ihre Körper nehmen wieder Menschengestalt an, wenn sie sterben, hat man mir erzählt.«
    Teddy

Weitere Kostenlose Bücher