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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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Traumkraft. Er hat einen großen Kreis auf dem Berggipfel gezogen, wenn wir in den eintreten, werden wir eine Seele, ein Selbst, ein Geist sein, mit all unseren Erinnerungen. Nur blöd, Miss Speranza, dass wir zum Lichtkreis nur durch das schwarze Herz kommen … wenigstens hat er mir das gesagt.«

    »Aber warum bin ich hier?«
    »Weil Sie und er verbunden sind … weil Sie ihn lieben.«
    »Bin ich deshalb hergekommen?«
    »Ja. Ich schätze, er hat Sie aus dieser Werwolf-Stadt geführt … über die Berge … zu dem jungen Grumiaux …«
    »Weil ich ihn liebe«, wiederholte Speranza leise.
    »Metaphysischer Quatsch!«, fiel Jonas Kay ein. Seine Stimme war kaum zu verstehen; er lief auf allen vieren, war fast vollständig Wolf, streunte durchs Dickicht, markierte sein Territorium alle paar Meter. »Quatsch … metaphysischer … Quatsch … ich bin alles … alles … alles! «
    Und stellte sich gegen sie, mit entblößten Fängen, heulend - Aber sein Heulen wurde übertönt vom Lied der Liebesflöte - »Aber was ist im dunklen Herzen?«, fragte Speranza. »Warum führt der Pfad hindurch?«
    Jonas antwortete ihr, und seine Stimme war ein Rasseln über dem tiefen Dröhnen der Erde: »Das, was man am meisten fürchtet.«
     
    Little Elk Woman und die Kinder hatten gespürt, wie Speranzas Geist sie verließ, sahen ihre Pupillen hinter den geschlossenen Lidern hin und her huschen, als würde sie träumen. Teddy gab sich mit der Antwort seiner Mutter zufrieden, dass ihre Seele für einige Zeit fortgeflogen war; wenn die Indianer über solche Dinge sprachen, war es unmöglich, festzustellen, ob sie ihre Erklärungen metaphorisch meinten oder für real hielten.
    Niemand sprach.
    Etwas wird schiefgehen, dachte Teddy. Scott hielt sich ausgezeichnet, widerstand der Kraft des Mondes besser als in den vergangenen Monaten. Er hatte sich innerhalb des Silberkreises niedergelegt und schnarchte. Es war zu schön, um wahr zu sein.
    Alle schliefen. Alle außer ihm. Seine Mutter atmete leicht und regelmäßig, Speranza kaum hörbar.
    Teddy hörte etwas. Er hielt den Atem an.

    Schritte im Lager. Nichts Besorgniserregendes, außer dass - sie klangen nicht wie die Schritte eines Indianers. Wenn ein Indianer geht, dann verneigt sich die Erde vor ihm; seine Füße schmiegen sich allen Unebenheiten des Bodens an; es gibt fast kein Geräusch. Dies waren ungeschickte Schritte; Zweige knacksten, Steine rollten fort.
    Die Schritte hörten auf.
    Ein Schatten an der Wand -
    Teddy schaute hoch. Blitzschnell schnappte er die Remington, die Speranza liegen gelassen hatte. Er zielte auf die Wand und merkte im gleichen Augenblick, dass es sein eigener Schatten gewesen war, der im flackernden Licht der Öllampe über die Zeltbahn huschte.
    Nervös lachte er.
    Dann hörte er Scott knurren. Leise, ganz leise. Zuerst hielt er es für Schnarchen.
    Das Knurren wurde lauter, dann -
    Ein Fahrtenmesser schlitzte durch die Büffelhäute, wo der alte Wichasha wakan ein kompliziertes Muster sich paarender Werwölfe aufgemalt hatte, und -
    Schweiß brach auf Scotts Gesicht aus, als das Mondlicht ihn traf, und das Wolfsfell bohrte sich durch seine Haut -
    »Nein … nein, Scott!«
    Als er seine Stimme hörte, verzögerte sich die Transformation seines Freundes um einen winzigen Augenblick. Ängstliche Menschenaugen starrten ihn aus einem pelzbewachsenen Antlitz an. Sie weinten Blut.
    »Nein, Natalia …«, wehrte sich Scott schwach.
    Dann sah Teddy, wer hinter dem Riss in der Zeltwand stand. Es war der Kommandant von Fort Cassandra, der sich mit den Wölfen in Winter Eyes zusammengetan hatte. Und hinter ihm wartete die Russin.
    »Ich werd’s euch zeigen«, drohte Teddy. »Ich hab eine Waffe, und ich kann schießen!«

    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er es nicht ist!«, sagte die Russin. »Wir vergeuden unsere Zeit …«
    »Kein Halbblut mit einem Derringer wird mich daran hindern, das amerikanische Volk an diesen herzlosen Wilden zu rächen!«, verkündete Major Sanderson.
    Er schoss Little Elk Woman mitten ins Gesicht.
    »Ma!«, brüllte Teddy. Und eilte zu ihr, ließ dabei die Waffe fallen, fing seine Mutter auf, wischte das Blut von ihren zerfetzten Wangen -
    Teddy drehte sich wieder zu dem Major um: »Ich werde Sie töten, töten, töten …« Aber der Major lachte und feuerte noch zweimal, erst auf das linke Auge des Fünfjährigen, dann auf den Hals des Mädchens, sodass ihr Todesschrei nur noch als schwaches Röcheln aus ihrer Kehle zu hören

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