Wolfsruf
Penny, damit er auf sein Pferd aufpasste, und ging zum Kartenhäuschen, wo eine alte Mexikanerin in einem Zigeunerkostüm ihm einen Vierteldollar abnahm und zehn Cents zurückgab.
Staub lag in der Luft, und er hörte Hufgedonner und das Murmeln der Menge.
Zusammengezimmerte Tribünen lehnten an klapprigen alten Planwagen, Relikten der Pionierzeiten. Eine Leinwand schirmte das Rund gegen den Wind ab. Mondlicht fiel in die Arena. Es war nach Mitternacht, und die Luft war so klar, der Mond so hell, dass die im Kreis aufgestellten Fackeln nicht nötig gewesen wären. Im bleichen Licht zeichneten sich die Silhouetten des Gebirges am Horizont ab.
Im Augenblick wurde eine Reitnummer vorgeführt; grell bemalte, größtenteils zahme Indianer ritten im Damensattel oder stehend auf dem Pferderücken, ein Indianer auf zwei Pferden - die Leute schienen sich zu langweilen, als Teddy eintrat, aber als die Artisten Saltos von Pferd zu Pferd machten, sich unter dem Bauch der Tiere hindurchschwangen und Pfeile auf bewegte Ziele abschossen, die von hübschen Assistentinnen hochgehalten wurden, beruhigten sie sich wieder; sogar Teddy musste zugeben, dass es ziemlich gute Akrobaten waren.
Er suchte einen Sitz. Ein paar Goldgräber rutschten enger zusammen, um ihm Platz zu machen.
»Schmeißt die Weiber raus und schickt ein paar Chinesen rein!«, brüllte jemand.
Eine donnernde Stimme. Teddy versteifte sich; sie war unangenehm vertraut. »Und jetzt … meine Damen und Herren …
ein Kunststück, das noch niemals im Wyoming-Territorium zu sehen war …«
Ein Trommelwirbel. Dann -
Feuer! Feuer schlängelte sich durch die Arena. Ein riesiger Feuerring wurde von zwei als griechische Göttinnen verkleideten Frauen auf zwei Schimmeln hereingebracht. Und Cordwainer Claggart, als Jupiter und mit einem Lorbeerkranz geschmückt, fuhr auf einem römischen Wagen in die Arena und kündigte die nächste Attraktion durch eine vollkommen unzeitgemäße Flüstertüte an, die jemand als klassische Cornucopia zu dekorieren versucht hatte. Der Wagenlenker war ein Indianer mit Kriegsfederschmuck - ein lächerlicher Kopfputz mit rosa und grün gefärbten Federn, wie man sie vor der Ankunft der Weißen auf diesem Kontinent nicht gesehen hatte.
»Jawohl, meine Damen und Herren …« Der Trommelwirbel schwoll an. »Jawohl! Als Nächstes kommt Häuptling Thousand Buffalo, der gnadenloseste und tapferste Krieger der Monneconjou Sioux, der einst eigenhändig einhundertundsechs Männer, Frauen und Kinder an einem einzigen Nachmittag während des großen Sioux-Aufstands von Minnesota skalpierte … der aber inzwischen gelernt hat, wie ein richtiger Mensch zu leben, und zivilisiert wurde und sogar unseren Herrn Jesus in sein Herz geschlossen hat. Häuptling Thousand Buffalo wird nun den gefährlichen Todessprung durchs Feuer wagen!«
Teddy sah den tapferen Krieger - einen Achtzigjährigen, verschrumpelt wie eine Backpflaume und mit knallbunter Farbe beschmiert - auf einem Appaloosa hereinreiten, den man über und über mit Blitzen und Sonnen und Monden bemalt hatte. Die Menge begann sich zu amüsieren - weiße Zähne im Mondlicht. Sie erinnerten ihn an Raubtiere. Er griff hinunter und legte seine Hand auf den Revolver.
Jemand stieß einen Jubelschrei aus. Die anderen Zuschauer ließen sich anstecken. Sie grölten jetzt. Gerade richtig, dachte Teddy, nach einem anstrengenden Tag des Lynchens.
Er schaute sich um. Zwei Goldgräber wechselten sich an einer Flasche Whisky ab, ließen den Alkohol aus ihren Bärten tropfen. Eine Frau in Witwentracht bedeckte die Augen eines kleinen Jungen mit ihren Händen; er versuchte sie wegzuschieben und beschwerte sich: »Ach Ma, ach Ma!« Eine Hure mit fingerdick bemaltem Gesicht saß auf dem Schoß eines Kavallerieoffiziers, dessen Gesicht rot gefleckt von ihren Küssen war. Fackellicht tanzte über die gierigen Fratzen.
»Brenn, Indianer, brenn«, sangen sie. »Brenn, brenn, brenn!«
Der Trommelwirbel war jetzt ohrenbetäubend. Der Indianerhäuptling, der sich vorhin offensichtlich nicht wohlgefühlt hatte, atmete tief ein, und Teddy sah ihn murmeln. Er wusste, dass es ein Lied zum Mutmachen war. Dann gab der Alte seinem Pferd die Sporen und sprang.
»Brenn! Brenn!«
Ein Schuss ging los, machte die Pferde scheu und -
»Brenn! Brenn! Brenn!«
Eine griechische Göttin strauchelte, der brennende Reif kippte vornüber, wie durch ein Wunder waren Reiter und Pferd bereits hindurch, ehe der Reif zu Boden krachte und auf
Weitere Kostenlose Bücher