Wolfsruf
Gesicht trug Takushkanshkans Licht. Sie fürchtete so sehr um ihn. Aber er konnte seinem Schicksal nicht entfliehen.
Sie zogen hinaus, verließen die brennende Stadt, zum Platz des Mondtanzes.
Sie drückte die Tür zur Sakristei auf. Ihr Cousin Valentin lag mit durchgeschnittener Kehle in einer Blutlache auf dem Boden.
Katyusha war mit Silbernägeln an die Wand genagelt worden. Sie war schon tot. Sasha hatte man dreigeteilt. Sein Kopf ruhte auf einem Bücherregal, sodass seine Luftröhre über einer ledergebundenen Bibel baumelte. Kolya war skalpiert und an seinen Eingeweiden über einen Kleiderhaken gehängt worden. Ein silberner Pfeil steckte in seinem Anus. Seine Augen waren entsetzt aufgerissen. Der Boden war mit Exkrementen übersät.
»Ma… ma…« Es war Petrushka. Er lag auf den aufgestapelten Chorhemden. Er war blutbeschmiert, als hätte man ihn in rote Farbe getaucht. Jemand hatte ihm seine kleinen Ärmchen
abgeschnitten. Er versuchte, zu ihr zu krabbeln, aber er war zu schwach.
Mit letzter Kraft packte Natalia den Schaft des Pfeils mit beiden Händen und zog ihn aus ihrer Kehle. Blut durchtränkte ihren Morgenrock, drang in ihre Lunge. Ich darf nicht sterben!, dachte sie. Ich muss leben - einen neuen Wurf austragen - ein neues Rudel aufbauen. Sie wollte ihre Wut hinausschreien, aber nur ein klägliches Gurgeln drang aus ihrer Kehle.
Natalia weinte.
Es begann zu regnen. Wassermassen ergossen sich auf kopflose, arm- und beinlose Leichen, die in den schlammigen Straßen lagen. Regen stürzte auf die verkohlten Häuser, erstickte die Flammen und ließ dicke Qualmwolken aufsteigen, die die Stadt einhüllten. Regen wusch das Blut aus den geschundenen Gesichtern. Regen mischte Blut und Erde, verwandelte die Straßen in rote Bäche - Regen durchnässte die Elfte Kavallerie, angeführt von Major Sanderson, die in die Stadt einritt.
Regen prasselte auf die Soldaten, die von ihren Pferden stiegen und ungläubig auf das Bild des Grauens starrten. Regen fiel auf Sanderson, der sich zur Kirche durchkämpfte, wo Natalia vor dem Altar mit den Kadavern ihrer vier Kinder kniete.
Sie roch ihn, dann hörte sie seine Schritte.
Ohne sich umzudrehen, wollte sie sagen: »Warum kommst du erst jetzt, wo meine Kinder tot sind?« Aber kein Laut entrang sich ihrer Kehle. Major Sanderson kam zu ihr. Hob seinen Hut, als wollte er ihr zeigen, dass auch er unter den Sioux gelitten hatte. »Natalia«, sagte er.
Sie versuchte, ihm zu antworten. Der Schmerz war unerträglich. Sie drehte sich zu ihm um. Blut strömte an ihrem Hals herab; sie hatte keine Ahnung, wie viel sie bereits verloren hatte; sie fragte sich, ob sie noch bleicher geworden war. Kein Mensch hätte einen solchen Blutverlust überlebt, diese Schmerzen - aber sie war mehr als ein Mensch. Sie war ein
übernatürliches Wesen und eine Mutter und der Wächter über das Schicksal des ganzen Rudels. Sie durfte noch nicht sterben. Obwohl das Silber durch ihre Adern zog, ihr Fleisch vergiftete, sie bei lebendigem Leibe auffraß. Hätte sie den Pfeil nicht herausgezogen, wäre sie längst gestorben.
»Willst du, dass ich die Toten räche?«, fragte der Major und musterte kaltblütig die Leichen. »Soll ich diese Wilden endgültig hinwegfegen?«
Sie nickte.
»Du hast mir einst etwas versprochen«, sprach Major Sanderson weiter, während er sie unbeirrt fixierte und zugleich langsam seine Jacke aufknöpfte. »Du sagtest, ich würde an deiner Seite über diese Stadt herrschen. Du sagtest, du würdest meine Welpen austragen, du Hündin! Und jetzt bettelst du bei mir um Rache!«
Die Jacke glitt zu Boden. Sie beobachtete ihn ohne jedes Gefühl, außer einer Leere absoluter Trauer. Sie versuchte nicht, zu sprechen, als er seine Hosenträger löste, seine Hose aufknöpfte und einen pulsierenden, erigierten Penis herauszerrte. Sie roch seine Lust, aber ohne jedes Gefühl. Er kam auf sie zu, beugte sich über sie, sodass sein Penis ihre ausgedörrten Lippen berührte.
Sie lauschte dem Regen, der auf das Kirchendach trommelte.
Lauschte den Soldaten draußen, die immer mehr Leichen entdeckten, die jene befragten, die im Sterben lagen, und die Grausamkeiten auflisteten.
Er zog sie hoch, hob sie auf den Altar. Sie versuchte zu protestieren, aber das Gift war in ihre Muskeln gedrungen, ließ ihre Adern bleiern werden.
»Ich kann nicht mehr warten, Natalia. Du wirst mir alles geben, was du mir versprochen hast. Eine starke Frau wie du - du könntest Kinder haben - bessere
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