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Wolfsruf

Titel: Wolfsruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.P. Somtow
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trat, der als behelfsmäßiges Casino eingerichtet war. Chandraputra, ein Heidenprinz wie aus dem Bilderbuch, war schon dort und rauchte Opium aus einer metallenen Wasserpfeife. Sie stand auf einem Kissen zu seinen Füßen, die eben jetzt von einem kleinen Negerjungen massiert wurden. »Ah! Sie sind bereit für eine Runde vingt-et-un, Mr Claggart!«, begrüßte er ihn.
    »Immer doch.«
    Er setzte sich und holte ein Kartenspiel heraus.
    »Bestimmt halten Sie mich nicht für so einfältig, dass ich mit Ihrem Blatt spiele, Mr Claggart! Nehmen wir lieber meine Karten.« Der Inder zog ebenfalls ein Kartenspiel heraus, und Claggart sah augenblicklich, dass es nicht zu seinem passte, weder was die Größe noch was die Zeichnung der Rückseite betraf. Aber er ließ sich sein Missfallen nicht anmerken.
    »Dann wäre ich wiederum töricht, Mister.« Er schaute sich um und entdeckte den Zeitungsjungen zusammen mit seinem neuen Freund, dem ernsthaften blonden Knaben, der zu dem österreichischen Grafen zu gehören schien. »Verkauf mir ein Kartenspiel, Bursche«, befahl er.
    Teddy Grumiaux blieb bei ihm stehen und reichte ihm ein neues, versiegeltes Spiel. Natürlich hatte Claggart sichergestellt, dass die Karten, die der Junge verkaufte, mit seinen identisch waren - schließlich hatte er sie ihm geliefert.
    Jetzt gesellten sich noch die Baronin von Dittersdorf und Vater Alexandros zu ihnen, ein schwarz gekleideter Priester irgendeiner östlichen Kirche mit einem struppigen dunklen Bart,
der ihm bis zum Bauch reichte. Claggart bereitete es keine Schwierigkeiten, ihnen innerhalb einer Stunde vierhundert Dollar abzunehmen. Doch Siebzehn und Vier wurde ihnen bald langweilig, deshalb wechselten sie zu Poker über.
    Zu seinem Missfallen schielte ihm der Zeitungsjunge schon wieder über die Schulter. Der Bursche wurde langsam zur Plage, obwohl er ihm ein paar Mal schon recht nützlich gewesen war. Erst am Tag zuvor hätte er sich um ein Haar selbst vergessen, weil ihn der Junge so nervös gemacht hatte.
    »Eines Tages«, flüsterte er ihm leise zu, »werde ich dir noch deinen Hintern versohlen!«
    »Oh!«, rief die Baronin aus. »Da würde ich gerne zusehen!«
    Chandraputra lachte. »Ich fürchte, meine aristokratische Freundin findet fast zu großen Gefallen daran, anderen Schmerzen zuzufügen«, sagte er. »Ein ausgesprochen teutonischer Zug von ihr. Ich möchte sehen.«
    »Und ich passe«, ergänzte der Priester.
    Der Junge rührte sich nicht. »Solltest du nicht deine Zeitungen unter die Leute bringen, Bursche?«, fragte Claggart, dem aufgefallen war, dass der Junge unverwandt auf seinen Ärmel starrte. Er wollte endlich das Knie bewegen, den Mechanismus in Gang setzen und sich mit einem frischen Ass versorgen, aber das war unmöglich, solange der Kleine ihn beobachtete.
    »Nein, Sir«, widersprach Teddy. »Sie sind alle verkauft.«
    Claggart seufzte, zog einen Silberdollar aus seiner Westentasche und warf ihn dem Kerl zu. Der Junge strahlte vor Freude. Claggart wartete den Augenblick ab, in dem er die Münze auffing, und versorgte sich schnell mit einer neuen Karte. »Ich habe«, erklärte er, »vier Asse.« Mit einem siegessicheren Grinsen legte er sein Blatt auf den Tisch und machte sich daran, den Pott einzustreichen.
    Der indische Astrologe hatte geblufft.
    Die Baronin lachte lauthals. »Ha! Sie haben betrogen, denn
ich halte ein Full House aus Assen und Königen in der Hand, und ich glaube nicht, dass die Kartenspiele in Amerika mit sechs Assen ausgestattet sind!«
    »Einen Moment mal, Madam«, wehrte sich Claggart beleidigt, »das ist eine ganz schön schwere Anschuldigung, die Sie da gegen einen unbescholtenen Mann wie mich vorbringen. Vielleicht haben Sie ja betrogen! Meines Wissens beherrscht man auch in Europa die einträgliche Kunst des Kartentauschens! Aber da Sie eine aristokratische Dame von edler Abstimmung sind, erschien es mir einfach ungehörig, Ihnen so etwas zu unterstellen. Stattdessen überlasse ich Ihnen den Gewinn. Nehmen Sie den Pott, Madam. Betrachten Sie sich als eingeladen. Ich bin nicht nachtragend.« Er tippte sich an den Hut und schob mit einer Handbewegung das Geld in ihre Richtung.
    Die Baronin nickte ironisch in Anbetracht dieser heroischen Geste und begann, die Münzen in ihre Börse zu streichen. Während sie damit beschäftigt war, ließ Claggart seine Hand unter den Tisch sinken und machte eine schnelle Kniebewegung, sodass ein frisches Ass aus seinem Ärmel direkt in den Schuh der Baronin

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