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Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten

Titel: Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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waschechter Hippie gewesen.
    Offen reichten ihr die Haare bis zur Taille. Das geblümte Kleid – ein Maxirock aus den Siebzigern – war früher einmal der letzte Chic gewesen, und die Brille mochte dick sein, aber es war noch immer das gute alte Exemplar im Oma-Stil, das während ihrer Studienzeit in Berkeley als absolut hip gegolten hatte. Ich hatte sie immer gemocht.
    „Ich dachte, tote Menschen würden friedlich aussehen“, murmelte der dunkelhaarige Junge.
    Ich warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Er war blasser als zuvor. Sein blonder Kumpel wirkte eher grün- als hellhäutig.
    „Euer Erster?“, erkundigte ich mich.
    „Wir sind schon öfter zu Notfällen gerufen worden, Sheriff“, erwiderte der indianische Junge.
    „Da bin ich mir ganz sicher, aber es war noch nie ein Toter darunter, oder?“
    Beide schüttelten so nachdrücklich den Kopf, dass ihnen die strubbeligen Haare vor die Augen flogen. Warum bloß wollte jeder Teenager wie ein schmieriger, schmuddeliger Rockstar aussehen? Ich verstand den Reiz der Sache nicht. Andererseits war ich auch kein siebzehnjähriges Mädchen mehr. Gott sei Dank.
    „Was sieht das Prozedere bei einem plötzlichen Todesfall vor?“, fragte ich.
    „Wir brauchen einen Arzt, der sie für tot erklärt.“
    „Hier?“
    „Nein. Wir bringen sie ins Krankenhaus. Sie gilt dann als tot bei Ankunft.“
    „Wäre es nicht einfacher, das vor Ort zu erledigen?“
    „Dann müssten wir einen Arzt herbestellen und warten, bis er eintrifft. Das ist meistens keine gute Idee, vor allem nicht, wenn die Angehörigen weinend danebenstehen.“
    „Da wir gerade davon sprechen … “ Ich ließ den Blick durch das menschenleere Haus schweifen. „Wer hat euch eigentlich alarmiert?“
    Der blonde Junge fand endlich seine Sprache wieder. „Eine Nachbarin. Sie sagte, dass sie letzte Nacht ein Kreischen gehört habe, aber sie schob es auf das Heulen des Windes. Heute Morgen erschien Ms Garsdale nicht zum Kaffee, wie sie es sonst immer tat, und als die Nachbarin klopfte, machte niemand auf, also benutzte sie ihren Schlüssel und … “ Er breitete die Hände aus.
    „Die Nachbarin gab an, ein Kreischen gehört zu haben?“, wiederholte ich.
    Der Blondschopf nickte.
    Ich schaute zu Ms Garsdale. Sie war nie der Typ gewesen, der zum Kreischen neigte, und wenn sie friedlich auf ihrer Couch entschlafen wäre, warum hätte sie dann kreischen sollen?
    „Welche Nachbarin? Rechts oder links?“
    „Rechts“, antworteten beide unisono.
    „Bewegt sie nicht“, befahl ich. „Fasst auch nichts an. Setzt euch wieder in euren Rettungswagen und daddelt auf euren Handys, bis ich euch Bescheid gebe.“
    Ihre Augen weiteten sich, aber sie gehorchten.
    Ich erkannte die Frau nebenan auf den ersten Blick. „Ms Champion“, begrüßte ich sie. „Dürfte ich Ihnen bitte ein paar Fragen stellen?“
    Wortlos zog sie die Tür ein Stück weiter auf und ließ mich eintreten.
    Ms Champion und Ms Garsdale waren seit einer Ewigkeit befreundet gewesen. Sie hatten sich in Berkeley kennengelernt und im selben Jahr Lehrstellen in Lake Bluff angenommen. Ms Champion hatte Musik unterrichtet.
    Die Tatsache, dass beide nie geheiratet hatten und ihre Häuser Tür an Tür lagen, hatte die Gerüchteküche das L -Wort betreffend ordentlich angeheizt. Ich vermute, wenn weder Claire noch ich je geheiratet hätten, wären wir in ein paar Jahren Opfer des gleichen Klatsches geworden. So war das nun mal in Kleinstädten. Mir hätte es nichts ausgemacht, und ich hatte auch nie den Eindruck gehabt, als ob es Ms Champion oder Ms Garsdale einen feuchten Kehricht gekümmert hätte.
    Ms Champion bedeutete mir, auf ihrer Couch Platz zu nehmen. Sie selbst setzte sich auf einen Stuhl an der anderen Seite des Sofatisches, noch immer in Morgenmantel und Pantoffeln. Ihr Haar war so kurz wie Ms Garsdales lang war und so schwarz wie das ihrer Freundin weiß.
    „Können Sie mir sagen, was passiert ist?“, begann ich. Ms Champion wirkte erschüttert, was ich ihr nicht verübeln konnte. Der Durchschnittsbürger wurde nicht oft mit dem Anblick einer Leiche konfrontiert.
    „Sie ist heute Morgen nicht herübergekommen. Ich nahm an, dass sie verschlafen hatte, darum ging ich nach nebenan.“
    „Verschlief sie häufig?“
    Ms Champion nickte. „Sie blieb immer lange auf und guckte fern, bis sie irgendwann auf dem Sofa eindöste.“
    Und genau das schien passiert zu sein, nur dass …
    „Haben Sie den Fernseher ausgeschaltet?“
    Ms Champion richtete

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