Wolfsschatten - Handeland, L: Wolfsschatten
Besseres zu tun habe, als in einer Zelle zu versauern, darfst du darauf vertrauen, dass ich eine Approbation habe und damit umzugehen weiß.“
„Nur weil du in Oklahoma als Arzt zugelassen bist, gilt das hier noch lange nicht.“
„Ich bin überall ein Arzt, unabhängig davon, ob ich in einem bestimmten Staat zugelassen bin oder nicht.“
Ich kniff die Augen zusammen. „Du hast also keine Zulassung?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
Mir riss die Geduld. Sein Duft rief mir nicht nur unseren Kuss in Erinnerung, sondern weckte in mir auch das Verlangen, ihn auf der Stelle wieder zu küssen.
„Ihr zwei geht mit euren Handys spielen.“ Ich stieß meinen Daumen in Richtung Tür, und die Jungen zogen ab.
Ich hatte ein Schultermikrofon, über das ich Cal jederzeit erreichen konnte, aber da das, was ich ihn fragen wollte, nicht für fremde Ohren bestimmt war, nahm ich mein eigenes Handy von meinem Gürtel und hatte Sekunden später meinen Hilfssheriff an der Strippe.
„Ich nehme nicht an, dass du diesen Arzt schon überprüft hast?“, erkundigte ich mich.
„Doch, natürlich.“
„Und?“
„Bester Abschluss an beiden Schulen.“
„Wie steht’s mit seiner Lizenz, in Georgia zu praktizieren?“
„Witzig, dass du fragst.“ Ich guckte Walker finster an, aber er wirkte keineswegs besorgt. „Er hat eine.“
„Was soll daran witzig sein?“
„Seine Bewerbung wurde verdammt schnell abgesegnet. Er muss Freunde in hohen Positionen haben.“
„Na toll“, brummte ich.
„Wozu eigentlich die Eile?“
„Er spaziert in der Stadt umher und betätigt sich als Leichenbeschauer. Ich wollte sichergehen, dass er zugelassen ist, bevor ich ihn irgendwelche Totenscheine ausstellen lasse.“
„Wer ist denn gestorben?“
„Ms Garsdale.“
„Oh, verdammt“, murmelte Cal. „Ich mochte sie.“
„Ja, ich auch.“ Ich legte auf und wandte mich an Walker. „Du bist gut.“
Sobald die Worte heraus waren, wollte ich sie sofort zurücknehmen, um keine anzügliche Erwiderung zu provozieren. Aber dieser Typ war Walker nicht. Stattdessen erwiderte er meinen Blick mit einem Ausdruck, der zu besagen schien: Siehst du ?
„Woran ist Ms Garsdale gestorben?“, fragte ich.
„Ohne eine Autopsie kann ich das nicht hundertprozentig sagen, aber wenn ich eine Vermutung anstellen müsste, würde ich auf ihr Herz tippen. Hatte sie in der Vergangenheit Probleme damit?“
Er war gut.
„Hydropische Herzdekompensation, zumindest meinte das ihre Freundin von nebenan.“
Er seufzte, als hätte er das bereits geahnt. „Nun, das würde es erklären.“
„Was ist mit ihrem Gesicht? Sie sieht schrecklich verängstigt aus.“
Und genau darüber kam ich nicht hinweg. Ms Garsdale war zu Hause gestorben, an einem ihr bekannten Herzleiden, und man hatte sie vorgewarnt, dass dies geschehen könnte. Trotzdem war ihr Gesicht vor Angst entstellt, und das versetzte meine Nervenenden in Alarmbereitschaft.
„Sie war allein“, erklärte er. „Wahrscheinlich hatte sie Schmerzen; sie könnte einen Schock erlitten haben. Ganz gleich, für wie gut vorbereitet wir uns halten, wenn die Zeit kommt, sind wir es am Ende doch nicht.“
Walker ging wieder zum Sofa, strich mit den Händen über Ms Garsdales Lider und stimmte einen kurzen Sprechgesang auf Cherokee an. Als er sich zu mir umdrehte, wirkte sein Gesicht mitgenommen. Aber warum sollte er sich wegen des Todes einer alten Dame, die ein langes, gutes Leben gehabt hatte und die er überhaupt nicht kannte, grämen?
„Alles in Ordnung?“
„Ja.“ Er rieb sich die Stirn. „Wieso fragst du?
„Du wirkst bedrückt.“
„Der Tod widert mich an.“
„Man kann ihm nicht immer ein Schnippchen schlagen, außerdem warst du noch nicht einmal ihr Arzt.“
„Ich weiß. Es ist nur … “ Er zuckte hilflos die Schultern.
Walker war ein Mysterium. Er schien mit einer Betroffenheit um Ms Garsdale zu trauern, die meiner eigenen gleichkam. Zwar misstraute ich ihm jetzt nicht mehr ganz so sehr, dafür machte er mich umso neugieriger.
„Was hast du zu ihr gesagt?“ Ich gestikulierte zu Ms Garsdale. „Deine Intonation.“
„Die Cherokee-Entsprechung der Letzten Ölung.“
„Sie war keine Cherokee. Und auch keine Katholikin.“
„Das ist nicht relevant. Ich habe ihrer Seele befohlen, nach Usunhi’yi zu gehen.“
„Was übersetzt heißt?“
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, was mir in Erinnerung rief, wie sie sich an meinen angefühlt hatten. „Das Land der Dämmerung im
Weitere Kostenlose Bücher