Wolfstage (German Edition)
düsteren
Einzelheiten beschrieben, sondern auch Bischoff, Mansloh und Peters aufgrund
von Fotos und Bandaufnahmen eindeutig als diejenigen identifiziert, die mit
Armbrüsten auf eine junge gefesselte Frau geschossen hatten. Bei drei weiteren
Leuten aus dem Sicherheitsdienst im Reitlingstal mochte er sich nicht eindeutig
festlegen, vermutete aber, sie könnten zu dem »Pfadfindertrupp« gehören, der
regelmäßig im Steinbruch zusammenkam. Johanna zweifelte nicht einen Augenblick
daran, dass es sich bei der Frau um Kati Lindner handelte.
Die Leichtigkeit und Freude vom Morgen waren nur noch eine flüchtige
Erinnerung, wie aus einem anderen Leben. Johanna war speiübel. Das
melancholische Gesicht von Robert Lindner tauchte vor ihrem inneren Auge auf.
Buster Keaton. Erst jetzt spürte sie, wie sehr sie gehofft hatte – auch
seinetwegen –, dass Kati noch leben würde und ihr nichts geschehen war.
Nichts Böses. Ausgerechnet Richard Peters hatte diese Hoffnung genährt.
»Was genau hat Sie eigentlich bewogen, den Pfeil in den Briefkasten
zu werfen?«, fragte Johanna Robin Ziegler zum Schluss.
»Als die Typen weg waren, hab ich einen eingesteckt und mitgenommen …
einfach so, ohne groß darüber nachzudenken. Ein paar Tage später habe ich in
der Zeitung gelesen, dass die junge Frau vermisst wird. Ich war ganz sicher,
dass sie es war. Es gab ein Foto, und in dem Bericht stand, dass sie in der
Buchhandlung gearbeitet hat. Ich wollte … einen Hinweis geben. Damit man
nicht aufhört, nach ihr zu suchen – und nach ihren Mördern.«
»Das haben Sie gut gemacht«, sagte Johanna. Sie gab ihm die Hand und
drückte sie fest. »Ich danke Ihnen.«
Eine weitere Stunde später bestätigten Polizeibeamte und
Kriminaltechniker Zieglers Beschreibungen. Sie fanden Katis Leiche an der
angegebenen Stelle neben den alten Gleisen und zahlreiche weitere Spuren und
Hinweise in Haus und Schuppen.
Johanna schickte Colin Sander nach Velpke, damit er den Einsatz
koordinierte, die einzelnen Funde sichtete und fotografierte und entsprechende
Informationen sofort an sie weiterleitete. Dann fuhr sie zurück nach
Königslutter und schloss sich in das kleine Büro ein, um die weitere
Vorgehensweise zu überdenken. Schuster brachte ihr Kaffee und Kekse, aber ihr
war der Appetit vergangen.
Schließlich rief sie Annegret Kuhl an.
»Sie können die Haftbefehle beantragen«, sagte sie. »Zunächst für
Bischoff, Peters, Mansloh. Hildmann –«
»Sitzt bereits in Untersuchungshaft«, unterbrach Kuhl sie. »Habe ich
schon in die Wege geleitet. Aber …«
»Was aber?«
»Die Aussage eines festgenommenen Dealers wird unter Umständen nicht
ausreichen. Der Richter könnte zumindest skeptisch –«
»Was die Techniker da draußen gerade alles ausbuddeln und an Beweismaterial
sichern, wird reichen – davon können Sie ausgehen. Außerdem: Woher sonst
soll ein Drogendealer diese Typen kennen?«, hielt Johanna dagegen. »Meine Sorge
ist eine ganz andere: Ich befürchte, dass der Mann im Hintergrund ganz sauber
außen vor bleiben wird. Keiner wird ihn zur Verantwortung ziehen.«
Kuhl blieb vorsichtig »Und wenn er tatsächlich –?«
»Das glauben Sie nicht im Ernst!«
»Es geht nicht ums Glauben, Kommissarin Krass. Sie müssen auf dem
Teppich bleiben. Typen wie Taschner kann man nur beikommen, wenn man eindeutige
Beweise hat, die über jeden noch so kleinen Zweifel erhaben sind.«
»Ich bin ganz sicher, dass Wiebor ihm im Nacken saß …«
»Beweisen Sie es!«
Johanna schloss kurz die Augen.
»Kommissarin Krass, ich schlage vor, Sie nehmen die Verdächtigen
zunächst vorläufig fest. Ich kümmere mich um die Haftbefehle, während in der KTU erste Ergebnisse zusammengestellt werden und Sie
die Verhöre führen«, sagte Kuhl schließlich.
»Das klingt gut. Danke.«
Johanna blickte hoch, als Schuster nach leisem Klopfen eintrat.
»Colin hat angerufen – er schickt uns Fotodateien«, meinte er.
»Und er sagt, dass die Aufnahmen nichts für sensible Gemüter seien. Wir müssen
die Eltern trotzdem bitten, ihre Tochter zu identifizieren.«
Johanna nickte. Das hatte sie befürchtet. Ihr wurde noch übler.
»Ich mache mich gleich auf den Weg. Colin soll sich mit Reinders
Leuten um die Festnahmen kümmern, Kuhl besorgt uns Haftbefehle. Ich denke, wir
machen die Verhöre in Wolfsburg, und ich will auch noch mal mit Henrik Hildmann
sprechen.«
Sie dachte nach. »Übrigens: den Verdächtigen so wenig wie möglich
erklären und bloß keine Hetze.
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