Wolfstage (German Edition)
nicht wahr?«
Sie blickte zur Seite. »Ich dachte, es geht um das übliche Spielchen
zwischen den beiden«, flüsterte sie. »Manchmal hatte ich schon den Verdacht,
dass Richard … ja, irgendwie scharf auf sie ist und wütend, weil sie ihn
völlig ablehnte, sich sogar lustig über ihn und seinen Job machte …
Bodyguard hat sie ihn immer genannt, und das klang nicht gerade freundlich.«
»Sie haben also Richard den heißen Tipp gegeben, dass Kati den Stick
hat. Und dann?«
»Er reagierte, ja: perplex. Und plötzlich hat er gelacht. ›Okay, nun
weiß ich ja wenigstens, dass ich ihn nicht unterwegs verloren habe, sagte er dann, oder zumindest so was
in der Art, und er winkte ab«, fuhr sie in normaler Lautstärke fort. »›Damit
kann Kati ohnehin nichts anfangen.‹ Das klang völlig harmlos, fast erleichtert,
verstehen Sie. Ich hatte keinen Grund –«
»Und Sie haben keinen Zusammenhang gesehen, als Kati plötzlich
spurlos verschwand und Richard Sie sogar noch zu den Lindners schickte, um nach
dem Laptop Ausschau zu halten?«, unterbrach Johanna sie.
Eva hob die zarten Schultern und ließ sie wieder sinken. »Er meinte,
dass der geschäftliche Kram niemanden sonst zu interessieren habe und er die
Daten ohne großes Aufsehen löschen wolle. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Er
klang so … abgeklärt und ganz normal. Er bat mich lediglich,
Stillschweigen über die Sache zu bewahren, weil es ihm unangenehm wäre, wenn
herauskommen würde, dass er schludrig gewesen sei – ausgerechnet er als
oberster Securitymann. Das war alles, und ich konnte das gut nachvollziehen.
Außerdem …«
»Und auch als die Ermittlungen begannen, ist Ihnen nie der leise
Verdacht gekommen, dass Richard Peters und seine Leute damit zu tun haben
könnten?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Wirklich nicht. Der Gedanke wäre …
einfach ungeheuerlich gewesen.«
»Vorhin haben Sie noch gesagt, dass Richard wütend war und
stinksauer, sogar erschrocken, als er den Speicherstick nicht finden konnte.
Wie passt das zu seiner plötzlich abgeklärten Stimmung?«
»Er kann es nicht ausstehen, wenn er Sachen verliert, das ist alles.
Und Zuverlässigkeit ist wichtig für ihn. Darum ging es.«
»Ach so. Zuverlässigkeit.«
Wie war das noch gleich mit dem brasilianischen Kakadu?, dachte
Johanna. Eine Weile herrschte Stille. Dann bat Eva um ein Glas Wasser. Sie
trank hastig mehrere kleine Schlucke und setzte das Glas schließlich wieder ab.
»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Geschäftskram so
wichtig ist, dass Kati sterben musste«, fuhr sie fort. »Ich meine –«
»Verzeihen Sie, aber ich befürchte, dass Sie das nicht beurteilen können«,
schnitt Johanna ihr in beißendem Tonfall das Wort ab. Und mit deiner
Vorstellungskraft scheint es ohnehin nicht zum Besten bestellt zu sein, fügte
sie für sich hinzu.
»Das sind doch nur irgendwelche Adressen, bilanztechnischer Kram,
ein paar Texte und einige Fotos …«
Johannas Kopf schnellte ruckartig nach vorn. »Woher wissen Sie das?«
»Kati hat mir eine Mail mit den Dateien vom Stick geschickt.«
Johanna befürchtete, dass ihr Gesichtsausdruck nicht sonderlich
intelligent wirkte. »Könnten Sie das bitte wiederholen?«
»Kati hat mir die Dateien geschickt.«
»Wann?«
»Ich weiß es nicht … Ich hab die Mail erst vor ein paar Tagen
entdeckt.«
»Was? Sie wollen mir jetzt nicht erzählen, dass Sie erstens Ihr E-Mail-Postfach
nur quartalsweise checken und zweitens die Brisanz einer Mail von Ihrer
verschwundenen Freundin nicht erkannt haben!«
Eva Blum hob die Hände. »Ich kann das erklären!«
»Ich bin sehr gespannt.«
»Ich habe noch eine zusätzliche Adresse bei einem Account, dessen
Mails ich nicht über meinen Outlook abrufe. Die kennen nur einige Freundinnen,
und da logge ich mich auch nur unregelmäßig ein.«
»Weiter!«
»Ich habe die Mail und den Anhang erst vor ein paar Tagen entdeckt.
Es ist wirklich nichts Besonderes …«
»Weiß Richard eigentlich, dass Kati die Daten an Sie geschickt hat?«
»Von mir nicht.«
Johanna sah Eva so lange in die Augen, bis die den Blick abwandte.
Colin Sander hatte einen Laptop in den Vernehmungsraum gebracht,
worauf Eva Blum sich in ihren Account eingeloggt und die Mail heruntergeladen
hatte.
Auf den ersten flüchtigen Blick beinhalteten die Dateien
umfangreiches geschäftsinternes Material, und wer nicht gerade auf der Suche
nach Hintergründen für einen oder mehrere Morde war und entsprechendes
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