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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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völlig daneben.« Er starrte sie empört an. »So ein
Schwachsinn. Wenn wir oder ich etwas mit Milans Tod zu tun gehabt hätten, warum
sollten wir uns dann die Mühe machen, ihn am nächsten Morgen durch den Wald zu
schleppen?«
    »Ihr Gewissen könnte Sie zum Handeln gezwungen haben. Das spielt
manchmal eine merkwürdige und nicht immer logischen Gesichtspunkten folgende
Rolle. Vielleicht ist Milan auch an einem anderen Ort getötet worden …«
Johanna hob die Hände. »Oder schlichtes Kalkül – nur um den Faden
weiterzuspinnen. Es gibt Spuren von Ihnen und auch von Emilie Funke an Milan,
die sich jetzt natürlich erklären lassen. Bestens erklären lassen. Sie haben
sein Blut an Ihrer Kleidung.«
    Kranz fuhr sich durch die Haare. »Meine Güte, was heißt denn hier
den Faden weiterspinnen? Das denken Sie nicht wirklich, oder?«
    Johanna sah ihn gleichmütig an. Es tat ihr leid, ihn so erschrecken
zu müssen. Er war ihr sympathisch, und ihr Bauchgefühl sagte ihr ganz klar,
dass der Schuss ins Blaue nicht treffen würde, aber die Staatsanwaltschaft wollte
in der Regel ein bisschen mehr als ein Bauchgefühl. Auch Annegret Kuhl.
    »Nein, Herr Kranz, ich verdächtige Sie nicht, aber ich muss jede
Möglichkeit im Auge behalten«, erläuterte sie. »Leider mache ich mich nicht
immer beliebt damit. Da ich aber ohnehin nicht sonderlich beliebt bin, fällt
das nicht mehr so sehr ins Gewicht. Also, Sie haben niemanden gesehen, als Sie
am Fundort waren, und Ihnen ist auch unterwegs nichts aufgefallen?«
    Kranz atmete tief aus. »Nein, aber Emilie wird Ihnen sicherlich
berichtet haben, dass sie tags zuvor beinahe Leuten in die Arme gelaufen ist,
die sie im Verdacht hat, das Höhlenversteck angelegt zu haben und auch für den
Tod der Tiere verantwortlich zu sein.«
    »Ja, das hat sie eingehend geschildert. Wir kennen die Wolfsgeschichten.«
Mehr sagte Johanna dazu nicht.
    »Ist es unter diesen Umständen nicht verständlich, dass wir schnell
und gemeinsam wegwollten? Erst recht, als Flow so ein Theater machte? Und
natürlich lassen wir nicht einfach den toten Milan herumliegen. Wer weiß, ob er
später überhaupt noch da gewesen wäre.« Kranz strich sich durchs Haar. Er
wirkte plötzlich zermürbt. »War es das? Ich würde jetzt gerne gehen.«
    Johanna betrachtete ihn eine Weile schweigend.
    »Sie haben angegeben, dass Sie zurzeit im Reitverein wohnen.«
    Er nickte.
    »Okay. Sie hören von uns, Herr Kranz. Falls Sie in den nächsten
Tagen verreisen möchten …«
    Er schüttelte den Kopf und stand auf. An der Tür drehte er sich noch
einmal um.
    »Brauchen Sie das Retroshirt bald zurück?«

8
    Milan Hildmann, zweiundzwanzig Jahre alt, war vielseitig
begabt, aufgeweckt und sehr beliebt gewesen; er hatte Kommunikations-und
Medien-Design in Braunschweig studiert. Seine Eltern hatten ihn vor wenigen
Stunden identifiziert. Warum er sterben musste, war noch völlig unklar. Was mit
dem Bruder geschehen war, zum jetzigen Zeitpunkt auch.
    Johanna hatte Schuster gebeten, die Koordination in der Dienststelle
zu übernehmen, und war allein zu den Hildmanns gefahren. Sie hatte
Magenschmerzen, und daran war ganz sicher nicht der Kaffee schuld.
    Die Hildmanns wohnten in einem schicken zweistöckigen Fachwerkhaus
am Rande des Ortsteils Lauingen. Alexander Hildmann führte sie durch eine
großzügig ausgebaute Diele mit freiliegenden schwarz gebeizten Fachwerkbalken,
auf denen Blumentöpfe standen, wortlos ins Wohnzimmer. Sein Gesicht war grau.
Er hatte Mühe, aufrecht zu gehen. Wenn er über Johannas unorthodoxes Äußeres
erstaunt war, ließ er es sich nicht anmerken. Wahrscheinlich war es ihm aber
völlig egal, ob Johanna Krass der allgemeinen Vorstellung von einer
Kriminalbeamtin entsprach oder nicht.
    Seine Frau Helen saß auf dem kleineren der beiden cremefarbenen
Sofas. Ihr Schock war durch ein starkes Beruhigungsmittel abgemildert. Johanna
war sich darüber im Klaren, dass es unzumutbar war, zum jetzigen Zeitpunkt eine
detaillierte Befragung durchzuführen. Nicht selten brachen die Leute vor ihren
Augen zusammen, und sie musste ihre ganze Abwehrkunst aufbringen, um beherrscht
und distanziert zu bleiben. Auf der anderen Seite waren die ersten Stunden von
entscheidender Bedeutung für die weiteren Ermittlungen. Eine erkaltete Spur
führte ins Nichts, häufig jedenfalls.
    Helen Hildmann war ungefähr in Johannas Alter, aber im Gegensatz zu
ihr eine wohlsituierte Dame – Typ: leicht unterkühlte und souveräne
Karrierefrau, die unter

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