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Wolfstage (German Edition)

Wolfstage (German Edition)

Titel: Wolfstage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Kuck
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ausdrucksloser Miene
weg, stand auf und schlüpfte zur Tür hinaus.
    Johanna sah ihr stumm nach. »Ich brauche frischen Kaffee, Schuster«,
sagte sie dann. »Und bringen Sie gleich den Fotografen mit.«
    Schuster hatte die Klinke schon in der Hand, als Johanna ihn noch
mal ansprach. »Was ist mit dem Bruder?«
    »Immer noch nichts.«
    »Scheiße.«
    »Sie sagen es.«
    ***
    Tibor Kranz sah ziemlich fertig aus. Er trug ein blassblaues
Shirt, das ihm drei Nummern zu groß war und über dessen Brust das Logo des
Landkreises prangte.
    »Hallo, Herr Kranz, tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten.
Mögen Sie auch einen Kaffee?«
    Er winkte seufzend ab, während er sich setzte. »Schon gut. Wäre
allerdings klasse gewesen, wenn ich mich hätte umziehen können. Die
Polizeishirts sind modisch nicht gerade der allerletzte Schrei.«
    Kranz’ eigenes Hemd befand sich im Labor und wurde aufgrund von
Blutspuren genau wie Funkes Weste kriminaltechnisch untersucht.
    Johanna lächelte. »Es gibt Leute, die den Retrolook zu schätzen
wissen.«
    Der Fotograf zog eine Augenbraue hoch und erwiderte das Lächeln.
»Das ist natürlich ein Argument.« Er sah kurz an sich herunter und strich das
Shirt glatt.
    »Wollen wir einfach anfangen?«
    »Nur zu.«
    Johanna trank einen Schluck Kaffee und schaltete den Rekorder ein.
    »Sagen Sie, Herr Kranz, warum haben Sie den toten Jungen auf dem
Rücken durch den Wald geschleppt, bis Sie telefonieren konnten? Sicherlich ist
Ihnen bewusst, dass Sie nicht einfach den Fundort einer Leiche verändern
dürfen.«
    »Es war mir klar, dass Sie danach fragen würden.«
    »Und?«
    »Emilie ließ sich nicht davon abbringen. Vielmehr war es ihr Hund,
der uns recht deutlich vermittelte, wie wir seiner Ansicht nach vorzugehen
hätten.« Er hob die Hände. »Ich weiß, wie sich das anhört, und ich kann mir
vorstellen, was Sie denken, aber … Wissen Sie, ich respektiere Tiere, ich
fotografiere sie leidenschaftlich gern – in ihrem natürlichen Umfeld –,
und ich reite seit meiner frühen Jugend, bin aber ansonsten kein
hauptberuflicher Tiernarr oder so was.«
    Tibor Kranz verschränkte die Hände im Nacken. »Ich kann auch nichts
anfangen mit Leuten, die dauernd eine Katze auf dem Schoß haben und sich einen
Spaziergang ohne Rex, Struppi oder wen auch immer nicht mehr vorstellen können
und Medikamente grundsätzlich am Menschen testen wollen. Doch dieser Hund …
also, Flow ist wirklich etwas Besonderes. Er hat eine außergewöhnlich souveräne
Ausstrahlung und sieht fast aus wie ein Wolf, zumindest scheint es einem so.
Und er ist für Emilie … tja, ich möchte mal sagen, ein Begleiter, dem sie
absolut vertraut. Der sie noch nie enttäuscht hat.«
    Kranz nahm die Hände wieder herunter. »Flow wollte uns auf eine
Gefahr hinweisen – das habe ich auch so verstanden. Und er war sehr
eindringlich, das können Sie mir glauben.«
    »Ich versuche es.«
    »Danke. Der Junge war tot. Ich habe alles fotografiert, was mir
halbwegs wichtig schien, bevor wir etwas verändert haben.«
    Johanna nickte. »Weiter.«
    »Wir haben ihn auf meinen Rücken bugsiert und sind bis zum Hauptweg
heruntergegangen.«
    »Wie lange haben Sie dafür schätzungsweise gebraucht?«
    »Hm, ungefähr zwanzig, dreißig Minuten, schätze ich. Mit der Last
auf dem Rücken waren wir nicht sehr schnell, zumal wir vorher hinter Flow
hergerannt waren, und ich musste einige Male verschnaufen. Und außerdem war die
Situation so außergewöhnlich, dass es mir nicht in den Sinn kam, auf die Uhr zu
sehen.«
    Verständlich, dachte Johanna.
    »Dann hatten wir wieder Netzempfang, und ich konnte die Polizei
benachrichtigen. Den Rest kennen Sie.«
    Johanna schlug ein Bein über das andere. »Wissen Sie, Ihre
Vorgehensweise hört sich ja durchaus nachvollziehbar an, aber was mich jetzt
brennend interessiert, ist natürlich die Frage, welche Gefahr dieser Hund
gemeint haben könnte. Immerhin ist der junge Mann keines natürlichen Todes
gestorben, sondern ganz offensichtlich Verletzungen erlegen, die ihm
beigebracht wurden – aller Wahrscheinlichkeit nach gestern Nacht.
Genaueres erfahren wir hoffentlich bald …« Sie brach ab und fixierte ihn
plötzlich scharf.
    Kranz zuckte zusammen. »Um Gottes willen, Sie glauben doch nicht
etwa, dass ich oder wir …«
    »Mein Job ist es, Fragen zu stellen. Alle möglichen und unmöglichen
Fragen. Wo waren Sie gestern Nacht?«
    »Im Bett. Schlafend. Das kann niemand bezeugen, falls Sie das
meinen. Und Sie liegen

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