Wolfstage (German Edition)
geht nicht nur um Sie.«
»Ich glaube kaum, dass Sie mich verstehen.« Funkes Blick wurde
feindselig.
Johanna zog die Augenbrauen hoch. »Das kann ich verschmerzen.«
»Es ist nichts Neues für mich, mit meiner Liebe zu Wölfen und Hunden
Skepsis, Häme und Ablehnung oder auch Heiterkeit hervorzurufen«, fuhr Funke
fort.
»Vielleicht liegt das weniger an den Wölfen und Hunden und den
anderen Leuten als an Ihnen.«
»Ist das ironisch zu verstehen?«
»Nein. Ich meine das völlig ernst.« Johanna setzte ein Lächeln auf,
das eine frühere Kollegin einmal als wölfisch bezeichnet hatte – wie
passend. Seitdem sparte die Kommissarin es sich für besondere Gelegenheiten
auf. Dies war so eine Gelegenheit.
Emilie Funke hob das Kinn. »Wie auch immer – wir haben uns entschlossen,
Milan nicht allein zurückzulassen. Dass Sie die Gründe dafür nicht
nachvollziehen können oder vielmehr wollen, muss ich ja nicht zu meinem Problem
machen.«
Johanna spürte, wie ihr von einer Sekunde zur anderen schwallartig
heiß wurde, und das hatte nichts mit den Hitzewallungen der Wechseljahre zu
tun, denen sie neuerdings häufig ausgesetzt war, fühlte sich allerdings ganz
ähnlich an.
»Das könnte aber schneller zu Ihrem Problem werden, als Sie gucken
können!«, fuhr sie aus der Haut und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch,
dass es nur so krachte.
»Wie bitte?«
Johannas Kopf schnellte nach vorn. »Frau Funke, es ist ganz einfach:
Ich bin hier, um aufzuklären, wie der junge Mann gestorben ist. Außerdem
beschäftige ich mich, wie Sie ja wissen, mit dem Verschwinden einer
Buchhändlerin und gehe auch noch der Frage nach, ob ein Kollege von mir einen
Unfall hatte oder ermordet werden sollte«, erklärte die Kommissarin nun mit
ihrer tiefsten Bassstimme. »Die Aufklärung dieser Fälle, die unter Umständen irgendwie
miteinander zu tun haben, interessiert mich mehr als alles andere. Mehr als
Ihre persönlichen Befindlichkeiten und Überzeugungen oder die Ihres Hundes. Und
wenn Sie Spuren zerstört haben, die für die Ermittlung des Sachverhalts
ausschlaggebend gewesen wären, weil Ihr Hund sensibel oder obersensibel oder
hyperobersensibel ist und Sie seinem Instinkt mehr vertrauen als Ihrem eigenen,
kriegen Sie es mit mir höchstpersönlich zu tun. Können Sie mir folgen?«
»Und ob!«, entgegnete Funke und wirkte erstaunlicherweise nicht
sonderlich eingeschüchtert – zumindest ließ sie es sich nicht anmerken.
»Ihre Spuren und Ermittlungen in allen Ehren, aber ohne Flow und seinen
Instinkt und mein Vertrauen darauf hätten wir Milan wahrscheinlich gar nicht
gefunden, und er würde noch wer weiß wie lange im tiefsten Elm herumliegen.
Können Sie mir folgen?«
Johanna schwieg abrupt. Sie war beeindruckt. Das kam selten vor.
Eigentlich so gut wie gar nicht. Eins zu eins, dachte sie. Gar nicht schlecht
für eine hysterische Tierschützerin. Sie überlegte gerade, wie sie nun weiter
verfahren sollte, als es klopfte und Dieter Schuster eintrat. Er legte einen
Hefter vor sie auf den Tisch.
»Ich habe gerade in der Gerichtsmedizin angerufen und kurz mit dem
Leiter gesprochen«, meinte er leise. »Ich hoffe, Sie können meine Notizen
entziffern.«
Johanna sah ihn an und widmete sich dann seinen handschriftlichen
Bemerkungen, während sie Funke für den Moment ausblendete.
Nach einer ersten noch oberflächlichen Untersuchung wurde der
Todeszeitpunkt auf circa Mitternacht geschätzt. Es war also sehr
unwahrscheinlich, dass Funke beobachtet hatte, wie Milan ihren Hund anblickte
und erst danach verstarb. Zur Verletzung gab es bislang lediglich zu sagen,
dass es eine große Eintrittswunde, aber keine Austrittswunde gab und Milan
Hildmann verblutet war. Keine Hinweise auf den Gebrauch von Pistolen oder
Gewehren. Detailliertere Hinweise waren noch nicht möglich.
»Ich brauche so schnell wie möglich einen Termin in der Gerichtsmedizin«,
sagte sie leise und blickte zu Schuster hoch. »Und es wäre super, wenn sich
dann auch schon mal jemand die toten Wölfe angesehen hätte, damit ich zwei
Fliegen mit einer Klappe schlagen kann.«
»Ich frage da gleich noch mal nach.«
Funke räusperte sich. »Kann ich jetzt gehen?«
Johanna überlegte kurz. »Fürs Erste ja. Nur noch eine Frage, reine
Routine: Wo waren Sie gestern Nacht?«
»Zu Hause.«
»Lassen Sie mich raten – nur Ihr Hund könnte das bezeugen?«
»So ist es.«
»Na schön. Ich werde ihn bei Gelegenheit fragen.«
Die Journalistin steckte den Seitenhieb mit
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