Wolfstage (German Edition)
ermöglichte. Es
wurden Einzel-und Wochenendvorträge und Seminare angeboten, aber auch
Veranstaltungen, die eine ganze Woche dauerten. Hin und wieder unterrichteten
Gastdozenten mit klangvollen Titeln und Arbeitgebern.
Die Tagungsstätte gehörte einer Verwaltungsgesellschaft, deren
Geschäftsführer und Hauptgesellschafter mit einundfünfzig Prozent Taschner war
und die ihm darüber hinaus bundesweit Immobilienbesitz, in der Hauptsache
Hotels und Mietshäuser, sowie Beteiligungen an Firmen unterschiedlichster
Branchen sicherte. Eine Vermögensgesellschaft hielt die übrigen neunundvierzig
Prozent.
»Ganz schön umtriebig«, murmelte Johanna.
»Allerdings«, bestätigte Toni. »Die Firmen sind sehr geschickt und unauffällig
untereinander verzweigt. Außerdem wird gemunkelt, dass Taschner eine
Parteineugründung plant. Unter Umständen könnte der Verfassungsschutz mehr dazu
sagen.«
»Verstehe. Habe ich schon erwähnt, dass unser schwerverletzter
Kollege Lennart verdeckt in der Tagungsstätte ermittelte?«
»Hast du nicht. Interessanter Aspekt. Klick mal auf die
Serviceseite.«
Eine Reihe mit Fotos baute sich auf, als Johanna der Aufforderung
nachgekommen war – adrett aussehende, lächelnde Menschen, unter ihnen auch
Henrik Hildmann, die nichts anderes als das Wohlbefinden und Interesse der
Gäste und Seminarteilnehmer im Auge zu haben schienen. Darunter waren kurze
Lebensläufe aufgeführt sowie die berufliche Tätigkeit und jeweiligen Aufgabenschwerpunkte
vermerkt. So oder ähnlich konnte die Website jedes erfolgreichen und
angesehenen Unternehmens, das Souveränität, Geschlossenheit und zielgerichtete
Kompetenz zu vermitteln suchte, aufgebaut sein. Johanna überflog sie
gelangweilt.
»Bevor du einschläfst: In der vorletzten Reihe findest du Rolf Mansloh«,
erklärte Toni lapidar. »Arbeitet dort als Betriebswirt. Unter anderem.«
Johanna fuhr zusammen. »Wie bitte? Unter anderem?«
»Warte und wechsle zunächst mal auf die Seite mit den Securityleuten.«
Einen Klick später erstarrte Johanna: Richard Peters war bei den Sicherheitsleuten
an erster Stelle genannt. Obwohl er lächelte, wirkte er ernst und unbeirrbar,
und sie konnte sich gut vorstellen, dass man sich in seiner Nähe sicher fühlte.
Seine beeindruckend blauen Augen waren prüfend auf den Betrachter gerichtet.
Das Foto suggerierte einen Mann, der sich vorgenommen hatte, es ziemlich weit
zu bringen.
»Das glaub ich jetzt nicht«, murmelte Johanna.
Einen Moment lang starrte sie völlig perplex auf das Bild, bevor sie
schließlich zu den anderen Namen abschweifte und Gregor Bischoff entdeckte, der
auch im Sicherheitsbereich aufgeführt war.
»Die Überprüfung von Richard Peters hat noch etwas Interessantes
ergeben«, hob Toni wieder an. »Er ist vor drei Jahren, als er bereits für
Markus Taschner gearbeitet hat, ins Visier einer Fahndung geraten, bei der es
um Waffenschmuggel ging. Man konnte ihm allerdings nichts nachweisen und musste
die Anklage fallen lassen.«
Johanna biss sich auf die Unterlippe. Hätte sie sich doch früher um
Einzelheiten zu Peters’ Lebenslauf kümmern müssen? War Lennart Wiebor wegen
Peters in der Tagungsstätte tätig geworden? Sie atmete tief durch.
Als sie Peters zum ersten Mal und noch dazu zufällig begegnet war,
hatte sie ihm als Freund von Eva Blum Fragen nach Kati gestellt, nicht mehr und
nicht weniger, und die angekreuzten Zeitungsinserate mit dem Hinweis aufs
Reitlingstal hatten keinerlei Zusammenhang mit seinem Namen erkennen lassen.
Nun war jedoch die Überlegung angebracht, ob Lennart Richard Peters gefolgt und
dadurch auf den Kosmetiksalon aufmerksam geworden war. Andererseits: Peters
hatte behauptet, Lennart nicht zu kennen, als Johanna ihm im Kosmetikladen das
Foto gezeigt hatte. Warum?
»Bischoffs Biografie ist übrigens auch nicht ganz sauber«, erläuterte
Toni weiter, während die Kommissarin Mühe hatte, die Neuigkeiten sacken zu
lassen. »Er ist einige Male durch Gewalttätigkeiten aufgefallen. In diese noble
Anlage passen auf den ersten Blick keine schweren Jungs, aber vielleicht gibt
Taschner den beiden eine Chance. Das kann man nicht ausschließen, und aktuell
führen beide ein sehr solides Leben.«
»Und aktuell klingt diese Vermutung nach amerikanischem Spielfilm
mit Überlänge«, bemerkte Johanna in lapidarem Tonfall. »Die Taschners dieser
Welt verdienen ihre Knete üblicherweise nicht damit, dass sie anderen Leuten
als sich selbst eine Chance geben – es sei denn, sie
Weitere Kostenlose Bücher