Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
entschlossen das Wasser ab und wickelte sich in ein großes Badetuch. Dann lief sie barfuß in die Küche, goss den Tee auf, wartete ungeduldig darauf, dass vier Minuten vergingen, ehe sie die Beutel herauszog. Schon zwanzig vor neun. Sie rührte einen halben Löffel Zucker in jede Tasse, steckte das Badetuch fester um ihren Körper, wartete darauf, dass der Tee etwas abkühlte.
Die Küche hatte nur ein kleines Fenster, und das ging auf den Hinterhof und die Dächer der umliegenden Häuser hinaus. Laura konnte den Ausschnitt einer Terrasse sehen. Dort saß eine Frau in der Morgensonne und las Zeitung. Sie hatte Lockenwickler im Haar und trug ein glänzendes pinkfarbenes Negligé. Neben ihr auf der Mauer lag eine schwarze Katze, die sich den ersten Sonnenstrahlen hingab. Laura meinte ihr Schnurren durch das geschlossene Fenster zu hören. Plötzlich beneidete sie diese Frau, stellte sich vor, wie es wäre, jeden Morgen auf Guerrinis Dachterrasse Zeitung zu lesen, den Tauben zuzuschauen und ein pinkfarbenes Negligé zu tragen. Eine angesehene Signora, die sich nur Gedanken darüber machte, was sie am Abend kochen sollte und in welcher Bar sie später ihren ersten Cappuccino trinken würde.
Nein, eigentlich war das keine gute Vorstellung. Sie mochte keine pinkfarbenen Negligés und würde sich sicher langweilen. Deshalb löste sie ihren Blick, nahm die beiden Teetassen und trug sie ins Schlafzimmer. Guerrini hatte sich inzwischen auf den Rücken gedreht, war aufgewacht, begrüßte sie aber mit einem Lächeln, das noch ganz dem Schlaf verhaftet war.
«Buon giorno, carina», murmelte er. «Ich weiß gar nicht, wie lange es her ist, dass mir jemand Tee ans Bett gebracht hat.»
«Vermutlich seit Carlotta dich verlassen hat!», antwortete Laura trocken.
Er setzte sich auf.
«Wie kommst du denn auf Carlotta? Sie hat mir nie Tee ans Bett gebracht. Carlotta hat morgens Kaffee gekocht und gewartet, bis ich in die Küche kam. Manchmal war sie auch schon weg, wenn ich aufstand.»
«Wie schade. Hast du ihr Tee ans Bett gebracht?»
«Nein. Sie mochte keinen Tee.»
«Wirklich?»
« Vero! Und sie mochte auch keinen Kaffee im Bett.»
«Was mochte sie denn?»
«Sie hat es nie genau gesagt. Vielleicht wusste sie es selbst nicht.»
«Hast du sie gefragt?»
«Ja, manchmal. Hat dein Exmann dir Tee gebracht?»
«Manchmal. Aber lassen wir das. Buon giorno, Angelo! »
«Buon giorno!» Guerrini nickte und schlürfte genüsslich seinen Tee, stellte dann die Tasse neben das Bett und verschränkte die Arme vor der Brust.
«Ich habe nachgedacht, während du im Bad warst. Es macht mich ziemlich nervös, wenn ich nicht weiterkomme, wie in diesem Fall. Und mir ist etwas aufgefallen: Gewisse Aspekte rund um Altlanders Ermordung wirken sehr professionell. Ich glaube nicht, dass ein gewöhnlicher Mensch, der einen Mord verüben will, so umsichtig vorgeht, dass er nirgendwo den Hauch einer Spur hinterlässt.»
Laura zuckte die Achseln.
«Sag mal, was steckt denn eigentlich hinter diesem mysteriösen Paolo Montelli? Bisher bist du mir immer ausgewichen.»
«Ich weiß es nicht, weil ich ihn noch nicht getroffen habe. Aber nach all den Fakten, die ich bisher kenne, handelt es sich um einen alten Schulkameraden von mir. Allerdings muss er inzwischen eine Persönlichkeitswandlung durchgemacht haben, denn nichts vom heutigen Montelli passt zu dem, den ich in Erinnerung habe.»
«Aber er kannte Altlander.»
«Offensichtlich.»
«Und woher?»
«Keine Ahnung. Es könnte allerdings sein, dass sie sich bereits seit den Studentenrevolten der Siebziger kannten. Der zweiten Welle sozusagen. Damals waren beide sehr aktiv. Ich studierte in Rom und hatte nur gelegentlich Kontakt zu den Gruppen im Norden.»
Laura setzte sich auf die Bettkante und trank nachdenklich ihren Tee.
«Wie heißt Montellis Firma?»
« Moda più alta . Klingt sehr bescheiden, nicht wahr?»
«Vielleicht sollten wir wirklich nach Prato fahren und heute Abend chinesisch essen gehen. Du hast nicht zufällig einen guten Kollegen bei der Guardia di Finanza in Prato, der uns ein paar Tipps geben könnte?»
«Ich kenne nur Leute in Florenz, die werde ich heute anrufen. Vielleicht haben die eine verlässliche Verbindung nach Prato.»
«Was meinst du eigentlich, wenn du sagst, dass dir die Geschichte zu professionell vorkommt?»
«Na ja … keine Spuren, nirgends. Der schwarze Wagen verschwindet jedes Mal spurlos, der Angriff auf uns. Das schüttelt niemand so aus dem
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