Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
passiert.
Sie hatte den Impuls, einen Luftsprung zu machen oder laut zu singen, was natürlich in den Gängen des Polizeipräsidiums gänzlich unangebracht war. So lief sie nur schneller als gewöhnlich und riss die Tür zum Dezernatsbüro so heftig auf, dass Kommissar Baumann und Claudia erstaunt aufblickten.
«Gibt’s schon Adressen von den ältesten Bewohnern der Schwabinger Genossenschaft?», rief sie.
«Was ist denn mit dir los?» Baumann runzelte missbilligend die Stirn.
«Ich arbeite gern!»
«Du warst beim Chef», entgegnete er. «Und du darfst schon wieder nach Italien fahren. Ich würde auch gern arbeiten, wenn ich eine tolle Freundin in Siena hätte.»
«Dann lern doch Italienisch und such dir eine!»
«Hehehe!»
«Ja, ich finde, es wird langsam Zeit. Du bist schon über dreißig, Peter. Da hatte ich schon zwei Kinder.»
«Findest du nicht, dass das meine Privatangelegenheit ist?»
«Und findest du nicht, dass meine Freundschaft mit Guerrini meine Privatangelegenheit ist?»
«Bravo!», rief Claudia und klatschte. «Eins zu null für Laura!»
Baumann hob beide Hände.
«Ich ergebe mich. Aber ich finde es nicht gut, dass du mich mit dieser historischen Forschungsarbeit im Fall Gustav Dobler alleinlässt. So was ist nicht mein Ding, das weißt du genau …»
«Wir können keine Spezialfälle in Auftrag geben, die genau auf die Interessen von Kommissar Baumann zugeschnitten sind. Was genau sind diese Interessen übrigens?»
«Übertreib’s nicht, Laura.» Er war beleidigt. Sie konnte es sehen, aber es war ihr egal. Manchmal war es gar nicht so schlecht, wenn sie ihn auf seine Durchhänger hinwies. Er war kein schlechter Kriminaler, aber auch kein besonders guter. Irgendwas fehlte. Vielleicht war es Neugier? Er hatte eine Neigung zu einfachen Lösungen, wie sich im Fall Dobler wieder zeigte.
«Dieser Altlander hätte ja auch in München umgebracht werden können. Das würde mich zum Beispiel interessieren.» Grummelnd versuchte er seinen Ärger zu verbergen.
«Ist er aber nicht. Können wir dieses Thema jetzt abschließen?»
«Eigentlich nicht!» Er hatte seinen sturen Tag.
«Ich möchte, dass du dich um die Adressen der alten Leute kümmerst, und zwar schnell. Einige möchte ich nämlich noch selbst befragen, ehe ich am Donnerstag fahre.» Lauras Antwort war schärfer ausgefallen, als sie beabsichtigt hatte. Baumann warf ihr einen halb verletzten, halb erstaunten Blick zu, und auch Claudia hob den Kopf.
«Die Adressen sind vor zehn Minuten per E-Mail durchgegeben worden. Ich habe sie schon ausgedruckt. Eine Liste für dich und eine für Peter. Okay?»
Claudias kaum merkliche Rüge stimmte Laura milder.
«Tut mir leid», sagte sie leichthin. «Ich möchte die Sache mit dem alten Herrn noch auf den Weg bringen. Mir ist das wirklich wichtig – genauso wichtig wie Altlander –, ob ihr es glaubt oder nicht.»
«Oder nicht», murmelte Baumann so leise, dass nur Claudia es vernahm, weil sie direkt neben ihm stand.
«Ach, übrigens, Peter. Ich möchte, dass du zum Büro dieser Baugenossenschaft fährst und mit der Sekretärin, einer Frau Unterberger, die alten Akten über die Zeit zwischen 1940 und 1945 durchschaust. Vielleicht findest du was über den Dobler.»
Baumann hob die Augen zur Decke.
«Alte Akten!», wiederholte er, und es klang wie ein Stöhnen.
«Ja, alte Akten. Die Frau Unterberger ist übrigens sehr nett und hat eine Schwäche für Kommissare.»
Mit der Adressenliste in einer Hand und einem Becher Tee in der anderen zog Laura sich endlich in ihr Büro zurück. Ein paar Minuten lang schaukelte sie auf ihrem ledernen Drehsessel herum und überflog die Namen der Alten. Endlich griff sie mit einem Seufzer zum Telefon und rief ihren Exmann Ronald an. So freundlich wie möglich erklärte sie ihm, warum er die Kinder bereits ab Donnerstag übernehmen müsse. Natürlich konnte er sich eine süffisante Bemerkung über die internationalen Aktivitäten der Münchner Kripo nicht verkneifen.
«Ja», sagte Laura nur.
«Was ja?»
«So ist es. Du hast völlig recht.»
Er schwieg ein paar Sekunden.
«Stimmt bei dir alles? Warum bist du so friedfertig?»
«Weil ich keine Lust habe, mit dir zu streiten. Außerdem hab ich’s eilig, weil ich in schwierigen Ermittlungen stecke und gleichzeitig die Sache mit Altlander angehen muss.»
«Nett von ihm, dass er sich in der Toskana umbringen ließ.» Ronalds Stimme klang wie ein Knurren.
«Ja.»
«Was ja?»
«Ja, nett von
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