Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
wäre ich wirklich gern du.» Claudia schupste einen Stapel Akten an.
«Aber bisher wolltest du nie mit mir und Baumann tauschen.»
«Nicht, wenn ihr dauernd nachts unterwegs seid, aber wenn sie dich nach Italien schicken, dann finde ich das echt beneidenswert!»
«Wer schickt mich nach Italien?» Laura versuchte die Ahnungslose zu spielen.
«Mach dich nicht über mich lustig. Ich wette, dass dein Commissario längst bei dir angerufen hat! Du hast wirklich ein unglaubliches Glück, dass dieser Altlander ausgerechnet in der Nähe von Siena umgebracht wurde.»
«Wir haben das arrangiert, Claudia. Ich dachte, du würdest selbst draufkommen.» Laura zwinkerte der jungen Frau zu.
«Baumann vermutet auch so was», entgegnete Claudia trocken.
«Was, der weiß auch schon davon?»
«Na, der Chef hat ihn vorhin gefragt, ob er eine Woche ohne dich auskommen könnte. Er hat natürlich nein gesagt. Aber es liegt ja nichts Besonderes vor, außer dem vergifteten alten Mann.»
«Für mich ist der vergiftete alte Mann aber etwas Besonderes, und ich möchte, dass du mir dabei hilfst, Baumann zu motivieren. Ich hab das Gefühl, dass da eine ziemlich seltsame Geschichte dahintersteckt.»
«In welcher Hinsicht?»
«Ich weiß es nicht genau. Irgendwas aus der Vergangenheit des Alten.»
«Du magst solche Fälle, nicht wahr? Ist spannender als Mord aus Eifersucht und so was!»
«Mord aus Eifersucht ist primitiv und nervt.» Laura legte ihre Zeitungen auf Claudias Schreibtisch ab, kämmte mit den Fingern ihr Haar zurück.
«Also, wenn jemand nach mir fragt, ich bin beim Chef!»
Während Laura den langen Gang zum Büro ihres Vorgesetzten entlangging, versuchte sie sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass inzwischen alle von ihrer Beziehung zu Commissario Guerrini wussten. Alle außer Kriminaloberrat Becker. Das jedenfalls hoffte Laura.
«Ich glaube mich daran zu erinnern, dass Sie schon einmal Ermittlungshilfe in Siena geleistet haben. Was war das nochmal?» Kriminaloberrat Becker runzelte die Stirn und sah Laura fragend an. Sie war sicher, dass er genau wusste, um welchen Fall es sich handelte.
«Es war die Geschichte mit der Selbsterfahrungsgruppe im letzten Jahr. Ein Totschlag, ein Mord.»
«Jaja, jetzt erinnere ich mich. Da hat die Presse ja auch verrücktgespielt.» Er ging vor seinem Schreibtisch auf und ab, schaute aus dem Fenster, ging weiter, blieb vor Laura stehen. So nah, dass sie sein Rasierwaser riechen konnte.
«Ist es nicht ein seltsamer Zufall, dass es nun wieder Siena trifft?»
«Ich weiß nicht, worum es geht, Chef.»
«Ein gewisser Commissario Angelo Guerrini hat beim BKA um Ermittlungshilfe im Fall Altlander gebeten. Dringend! Und raten Sie mal, wen er ganz dezidiert angefordert hat – aufgrund ihrer Erfahrung und Kenntnis der italienischen Sprache.»
Er beugte sich noch näher zu Laura. Sie wich nicht zurück, falls er das beabsichtigt hatte, aber sie versuchte, flach zu atmen, um seinem etwas heftigen Männerparfüm zu entgehen.
«Ich habe Altlander nicht umgebracht, und ich habe auch nicht Commissario Guerrini darum gebeten, mich anzufordern.»
«Aber eigenartig ist es schon, finden Sie nicht, Laura?»
«Vielleicht.»
Er schaute in Lauras Augen, so bedeutungsvoll und tief, dass sie den Blick abwandte und sich fühlte, als hätte er sie auf eine Art angefasst, die ihr zuwider war.
«Tja», murmelte er nach einer Weile. «Ich bin durchaus für eine gute Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, und persönliche Kontakte gerade zu den italienischen Kollegen können auch uns nützen. Aber die Kontakte sollten nicht zu persönlich sein, denn das wiederum behindert eine objektive und effektive Arbeit.»
«Bitte?»
«Ich denke, dass ich mich klar genug ausgedrückt habe. Sie werden am Donnerstag nach Siena fahren. Es ist nicht meine Entscheidung, falls es Sie interessiert. Sie kam von höherer Stelle.»
«Oh.» Laura war angesichts dieser unerwartet rasanten Entwicklung ihre Schlagfertigkeit abhandengekommen. Becker hob die Augenbrauen und fingerte an seiner Krawatte, die wie immer ein wenig zu eng saß. «Das wäre es», murmelte er. «Halten Sie mich auf dem Laufenden. Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als regelmäßige Presseerklärungen abzugeben. Ich hasse Fälle, in die Prominente verwickelt sind.»
Donnerstag, dachte Laura. Heute ist Dienstag. Ich werde noch zehn Kerzen neben Angelos stellen. Für die heilige Katharina von Siena. Und ich werde Vater mitnehmen. Ganz egal, was
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