Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Fragen, Signor Leone.»
«Und welche? Was gibt es denn noch?»
«Eigentlich alles. Wir haben ja nicht einmal angefangen, richtig miteinander zu reden.»
«Ich dachte, wir wären durch.» Leone stand noch immer an der Tür.
«Das ist ein Irrtum. Wollen Sie sich nicht setzen? Ich kann auch einen Espresso machen lassen, wenn Sie einen möchten. Er wird zwar sicher nicht so gut sein wie Ihrer, aber immerhin so aussehen wie Espresso.»
Enzo Leone trat einen Schritt näher an Guerrinis Schreibtisch heran.
«Was wollen Sie von mir, Commissario? Ich habe ihn nicht umgebracht, obwohl ich manchmal Grund dazu hatte.»
«Ich habe nicht behauptet, dass Sie ihn umgebracht haben. Es wäre zwar eine Möglichkeit, aber es gibt sicher noch andere. Was können Sie mir zum Beispiel über Giorgio Altlanders Verhältnis zu Elsa Michelangeli erzählen?»
Leone zuckte die Achseln, setzte sich endlich.
«Sie waren ein seltsames Paar. Ich hab mich nie wirklich wohlgefühlt, wenn wir zu dritt waren. Ich kam mir dann irgendwie ausgeschlossen vor. Sie redeten über Dichter und Bücher und weiß der Teufel was. Lauter Dinge, von denen ich nichts verstehe. Elsa ist sehr berühmt, und sie hat es mich spüren lassen. Ich war so was wie der arme Verwandte oder der unpassende Partner. Ja, jetzt fällt es mir so richtig auf. Sie war wie eine Mutter, deren Sohn die falsche Freundin hat.» Er strich mit der Hand über sein Bein, glättete eine Falte seiner hellen Hose.
«Sie haben eine gute Beobachtungsgabe, Signor Leone. Glauben Sie, das Elsa Michelangeli eifersüchtig auf Sie war?»
«Wollen Sie wirklich wissen, was ich glaube?»
«Natürlich.»
«Ich glaube, dass die alte Hexe Giorgio liebte. Es hat sie halb umgebracht, dass er schwul war.»
«Warum sagen Sie ‹alte Hexe›?»
«Weil sie eine ist. Alle ihre Ideen stammten doch von Giorgio. Sie hat ihn ausgesaugt.»
«Und seine, woher stammten die?»
«Bestimmt nicht von ihr. Er saugte die anderen aus, Commissario.»
«Zum Beispiel Paolo Montelli?»
Leone runzelte die Stirn.
«Wie kommen Sie denn auf den?»
«Steht er nicht auf Ihrer Liste?»
«Doch, aber woher kennen Sie ihn?»
«Ach, das spielt keine Rolle. Mich interessiert sein Verhältnis zu Signor Altlander.»
«Darüber weiß ich nichts …» Leones Lächeln hatte plötzlich etwas Schmutziges, Anzügliches. «Ich weiß nur, dass Montelli ziemlich viel Geld hat und dass er Giorgio schon lange kannte.»
«Wie lange?»
«Keine Ahnung.»
«Länger als Sie?»
«Ich nehme es an.»
«Hat Signor Altlander nie etwas über diese Verbindung verlauten lassen?»
«Nein. Ich habe nur einmal gehört, dass die beiden sehr heftig stritten. Ich glaube, dass es dabei um Politik ging. Aber genau habe ich es nicht hören können.»
«War Montelli häufig mit Altlander zusammen?»
«Nein. Ich habe ab und zu für die beiden gekocht. Montelli liebt Wildschwein und große bistecche . Er trägt eine goldene Rolex und fährt einen blauen Jaguar.»
«Ist das alles, was Sie über ihn wissen?»
«Reicht das nicht?»
Dieses Schwein, dachte Guerrini und meinte damit nicht Enzo Leone.
Die Nachricht von Giorgio Altlanders Tod schlug in der deutschen Presse ziemlich kräftig ein. Nicht gerade wie eine Bombe, denn er war ja nur Schriftsteller und nicht Politiker oder Schauspieler, aber immerhin heftig genug, um für Wirbel zu sorgen. Es war eine echte Story: Skandalautor in der Toskana ermordet. War es sein Liebhaber? So lauteten die Schlagzeilen einiger Boulevardblätter.
Die seriösen Tageszeitungen behandelten das Thema mit Zurückhaltung, kommentierten seine großartigen frühen Werke, die starken Gedichte, die erbarmungslose Gesellschaftskritik und seine Nominierung für den Literaturnobelpreis vor zwanzig Jahren. Er sei unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen.
Als Laura am Dienstagmorgen mit einem Arm voller Zeitungen ins Dezernat kam, begrüßte Claudia sie mit der Nachricht, dass Kriminaloberrat Becker bereits auf sie warte.
«Er ist nervös!», sagte sie und schaute fragend auf den Stapel Zeitungen.
«Altlander!», erwiderte Laura. «Interessiert mich. Hast du was von ihm gelesen?»
«Nee. Oder doch, irgendwelche Gedichte in der Schule, aber das ist schon lange her. Ich kann mich nicht genau erinnern. Warum der wohl umgebracht wurde?»
«Keine Ahnung, aber ich wüsste es gern.»
«Na ja, ich denke, dass du ziemlich nah dran an der Sache bist. Heute Morgen kam eine E-Mail vom BKA. Und ich kann dir eins sagen: Manchmal
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