Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Sie wissen wollen, warum wir uns noch nicht gemeldet haben. Salvia und ich sind mit diesem Deutschen noch nicht durch.»
«Was ist denn los mit ihm?»
«Er hat kaum nachweisbare Druckstellen im Halsbereich, hat sich offensichtlich nicht gewehrt, zu viel Lachgas eingeatmet, aber nicht genug, um zu sterben, ist auch nicht erwürgt worden, sondern wahrscheinlich an Herzversagen hinübergegangen.»
«Aha.»
«Sparen Sie sich Ihre Kommentare, Guerrini. Ich sage schon lange nicht mehr aha. Aber eins erscheint mir ziemlich sicher: Dieser Altlander ist nicht freiwillig gestorben. Da hat sich jemand große Mühe gegeben, es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.»
«So etwas dachte ich mir schon.»
«Dachte ich mir, dass Sie so was dachten!» Der alte Professore stieß ein meckerndes Gelächter aus. «Aber wir schnipseln noch ein bisschen weiter an dem werten Dichter herum. Vielleicht finden wir was!»
«Danke, Professore.»
«Nichts zu danken.»
Hinter Guerrini hupten mehrere Autos gleichzeitig, und erst jetzt fiel ihm auf, dass vor ihm die Straße frei war. Im Rückspiegel sah er einen dicken unrasierten Mann, der mit großen Schritten auf den Lancia zukam. Der Mann bewegte sich wie einer, der gerade seine Ärmel aufkrempelt.
Guerrini ließ sein Seitenfenster halb offen und wartete. Als der Mann neben seinem Wagen anhielt und die geballte Faust zeigte, meinte Guerrini: «Auf diese Weise passieren viele schlimme Dinge auf der Welt. Man fragt den anderen nicht, was los ist, sondern haut gleich drauf! Verschwinde!» Und damit gab der Commissario Gas, fuhr schnell den steilen Berg zur Stadt hinauf, hoffte, dass er nicht erneut im Stau steckenbleiben würde, denn er hatte keine Lust, sich mit dem Kerl zu prügeln. Er hatte auch keine Lust, nochmal in sein Büro zu gehen und mit Tommasini zu reden. Aber als er seinen Wagen im Hof der Questura abstellte, um gleich wieder zu gehen, winkte d’Annunzio ihm aus einem Fenster im ersten Stock aufgeregt zu. So blieb Guerrini nichts übrig, als hinaufzulaufen.
«Ja?», fragte er unfreundlich, als er oben ankam.
«Der Questore, der Chef, er hat schon zweimal nach Ihnen gefragt, Commissario. Jetzt ist er gegangen, aber er hat mit Tommasini geredet. Tommasini ist noch da.»
«Ich hatte mein Handy dabei, d’Annunzio.»
«Aber Sie haben es doch nie dabei, Commissario.»
«Ich war nicht beim Essen, d’Annunzio! Ruf Tommasini – ich hab nicht viel Zeit.» Er ließ den jungen Wachtmeister stehen und war sich seiner Unfreundlichkeit durchaus bewusst.
Tommasini erschien, kaum hatte Guerrini dessen Büro betreten. Auch er hatte es offensichtlich eilig.
«Was wollte denn der Questore?»
«Ach, eigentlich nichts. Nur, dieser Signor Altlander scheint ziemlich bekannt zu sein, und deshalb will der Questore, dass wir ganz besonders sorgfältig arbeiten und nichts der Presse sagen, was nicht vorher von ihm persönlich abgesegnet ist. Inzwischen haben schon eine Menge Journalisten angerufen. Ich hab der Zentrale gesagt, dass sie niemanden mehr zu uns durchstellen sollen. Wird es eine Pressekonferenz geben, Commissario?»
«Sobald wir was wissen, Tommasini.»
Tommasini zuckte die Achseln.
«Wann wissen wir was?»
«Keine Ahnung! Ich geh jetzt – ich habe mein Handy dabei, und wenn etwas los ist, dann könnt ihr mich erreichen. Sag das auch d’Annunzio und den anderen!»
«Ja, Commissario. Ich nehme mein Handy auch mit.»
«Wo gehst du denn hin?»
«Auf ein Treffen meiner contrada . Sie wissen doch, dass ich in diesem Jahr den Palio mit vorbereite!»
«Na, dann viel Erfolg!»
Guerrini schlich sich aus der Questura und machte sich auf den Weg zu seinem Vater. Contrade , dachte er – ein Stadtteil gegen den anderen. Ein Glück, dass wir nicht mehr im Mittelalter leben. So reiten sie wenigstens nur und schlagen sich nicht gegenseitig die Köpfe ein.
«Na, so eine Überraschung!», rief Fernando Guerrini. «Hätte nicht gedacht, dass ich dich in diesem Leben nochmal sehe!»
Angelo ging nicht auf die Bemerkung seines Vaters ein, sondern tätschelte den alten Jagdhund Tonino, der sich mühsam von seinem Lager aufrappelte, um den Sohn seines Herrn zu begrüßen. Als er den Kopf hob, sah er das riesige Schwarz-Weiß-Foto seiner Großeltern wieder über der Garderobe hängen, obwohl er es vor ein paar Wochen gegen ein Mohnblumenposter ausgetauscht hatte.
«Ich hab’s wieder hingehängt!», sagte Fernando, der den Blick seines Sohnes bemerkt hatte. «Sie waren immer da, und sie
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