Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
da hab ich sie gesehen – den Signor Enzo und einen der Gäste. Ich war ziemlich schockiert – so was sieht man ja nicht alle Tage, Commissario. Ich bin blitzschnell wieder rein in die Küche und hab einen Grappa getrunken, was ich sonst nie mache!»
«Haben Sie den Gast erkannt?»
«Ich bin mir nicht sicher, deshalb will ich nichts sagen, Signor Commissario. Es war stockdunkel, müssen Sie wissen. Man kann ja Leute in Teufels Küche bringen, wenn man so was über sie sagt!»
«Mhm», brummte Guerrini. «Putzen Sie eigentlich auch bei Elsa Michelangeli?»
«Nein, Commissario. Man putzt nie bei Freunden des Chefs. Da sagt man einmal was Falsches, und schon ist man beide Jobs los. Das ist mir nur einmal passiert – vor vielen Jahren. Seitdem mach ich das nie wieder!»
Guerrini bedankte sich bei Angela Piselli und trat den Rückzug an. Sie folgte ihm durch die Halle zum Eingang.
«Und wann darf ich das Arbeitszimmer sauber machen?»
«Wenn es freigegeben wird. Solange es versiegelt ist, dürfen Sie nicht hinein!»
«Ah, ich bin ganz froh, dass ich nicht hineindarf. Es wär mir ganz schlimm in dem Zimmer, in dem der selige Signor Altlander gestorben ist …»
Guerrini winkte ihr zu und lief durch den Regen zu seinem Wagen. Als er die Straße nach Siena erreicht hatte, verspürte er leise Lust auf eine Zigarette. Aber er hatte das Rauchen vor zwei Jahren aufgegeben. Laut verfluchte er diejenigen, die herausgefunden hatten, dass Rauchen ungesund war.
Laura hatte sich bei Altlanders Verleger nicht angemeldet, sondern war auf gut Glück hingefahren. Das Verlagshaus lag nicht mal zehn Minuten von der Wohnung des alten Gottberg entfernt. Es war ein renommierter Verlag, einer, der nicht den modischen Trends der Buchindustrie folgte, sondern auf Qualität achtete. Niemals würde man die zweifelhaften Lebensbeichten eines Schlagersängers oder Schauspielers in seinem Programm finden, dafür Literaturnobelpreisträger zuhauf.
Von außen wirkte das efeubewachsene Haus dunkel und abweisend, innen war es jedoch hell und modern – als hätte man es ausgehöhlt und frisch gefüllt. Im Foyer wurden die Neuerscheinungen ausgestellt, dazu lagen Stapel von Katalogen herum. Eine Frau mittleren Alters, sehr gepflegt, mit blondiertem Haar und großen Perlenohrringen, saß am Empfang, und ihre Augen weiteten sich erstaunt, als sie Lauras Ausweis studierte.
«Ich werde Sie sofort anmelden. Doktor Pasteur ist in seinem Büro. Kann ich ihm einen Hinweis geben, worum es geht?»
«Um den Tod seines Autors Altlander.»
«Ja, natürlich. Eine tragische Geschichte. Einen Augenblick.» Sie griff nach dem Telefon. Laura schlenderte zum Regal mit den Neuerscheinungen. Es war kein Buch von Altlander dabei, viel Südamerikanisches, drei Titel deutscher Autoren, deren Namen Laura noch nie gehört hatte.
Ich sollte mehr lesen, dachte sie. Fragt sich nur, wann.
«Sie können rechts durch die Tür gehen und dann in den ersten Stock. Dort wird Doktor Pasteur auf Sie warten.»
Laura schlug den beschriebenen Weg ein, wusste allerdings nicht genau, was Sie den Verleger fragen sollte. Das passierte ihr häufig. Irgendwie ergaben sich die richtigen Fragen aus der Situation. Sie war neugierig auf Pasteur, denn er war so etwas wie die graue Eminenz unter den deutschen Verlegern, und das seit Jahrzehnten.
Der Teppich auf den Stufen fühlte sich weich an und verschluckte ihre Schritte. Als sie den ersten Absatz erreicht hatte, blickte sie nach oben und bemerkte, dass sie von Pasteur bereits erwartet wurde. Der Verleger war um die sechzig, das graue Haar leicht schütter, dazu der Ansatz eines Bauchs und große, lebendige Augen, deren Farbe Laura nicht genau erkennen konnte.
«Noch nie hatte ich die Ehre, eine Kriminalhauptkommissarin zu empfangen. Das Leben ist voller Überraschungen!», sagte er, und Laura fand, dass seine Stimme einen metallischen Unterton hatte, den sie nicht besonders mochte.
«Willkommen.» Er lächelte, als sie ihn erreicht hatte, streckte ihr seine rechte Hand entgegen, drückte ihre ganz leicht. Dann führte er sie in ein großes Arbeitszimmer voller Manuskriptstapel, dazu ein paar abstrakte Kleinplastiken und an der Wand moderne Malerei.
«Kaffee, Tee, Wasser?» Fragend hob er die Augenbrauen. Seine Augen waren bernsteinfarben, jetzt konnte Laura es sehen. Guerrini hatte solche Augen.
«Wasser», antwortete sie. «Es geht um Giorgio Altlander. Sie wissen sicher von seinem Tod.»
«Freunde aus Italien haben mich
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