Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Mal.
«Entrate!» sagte Guerrini.
Sie schoben sich herein, einer nach dem anderen. Zuerst Tommasini, dann der Kollege Capponi, Guerrinis Stellvertreter Lana, der eigentlich ständig unterwegs war, weil er Büroarbeit hasste, und d’Annunzio. Ein bisschen verlegen standen sie herum, bis Guerrini ihnen Plätze anbot.
«Ich weiß überhaupt nichts», sagte Lana. «Ich war im Auftrag des Questore in Pisa und bin erst gestern Abend zurückgekommen.»
«Dann hör einfach zu», erwiderte Guerrini.
Lana strich über seinen gepflegten Schnurrbart und runzelte leicht die Stirn. «Ich habe vom Questore heute Morgen gehört, dass wir in diesem Fall schnell Ergebnisse brauchen, weil sonst die Mordkommission in Florenz übernimmt.»
«Du weißt nichts, deshalb misch dich nicht ein!» Guerrini hasste die unterschwellige Konkurrenz, die Lana ihm gegenüber praktizierte. Das war einer der Gründe, warum er jeden Auftrag unterstützte, der den Vicecommissario weit weg führte.
Tommasini saß mit gesenktem Kopf in der Ecke. Er konnte Lana nicht ausstehen. Jetzt räusperte er sich.
«Ich habe mit d’Annunzios Hilfe in Altlanders Leben herumgestöbert. Ist ja interessant, was so ein Schriftsteller alles macht. Er war in den sechziger Jahren ganz eng mit unseren linken Studenten verbandelt, und es gab immer wieder Gerüchte, dass er auch zu den Roten Brigaden Kontakt hatte. Er kannte sogar den Verleger Feltrinelli – das war der, der sich selbst in die Luft gesprengt hat, als er einen Anschlag auf einen Hochspannungsmast verüben wollte.»
«Veramente?», staunte d’Annunzio, der damals noch nicht einmal geboren war.
«Veramente!», nickte Tommasini mit einem freundlichen Seitenblick auf seinen jungen Kollegen.
«Montelli», murmelte Guerrini. «Ist dir dabei der Name Montelli irgendwo untergekommen?»
«Nein, Commissario. Altlander war damals hauptsächlich in Mailand und Turin. Manchmal auch in Padua und Venedig. Er hatte noch kein Haus in der Toskana. Aber er war bekannter als heute. Und Ende der siebziger Jahre hätte er beinahe den Nobelpreis für Literatur bekommen. Jedenfalls war er auf der Liste ganz oben.»
«Und was ist danach passiert?»
«Na ja, er hat weiter Bücher geschrieben, wäre in Deutschland beinahe vor Gericht gestellt worden, weil er die deutschen Terroristen im Gefängnis besucht hat und danach schrieb, dass er sie verstehen könne und jede Gesellschaft die Jugend hervorbringe, die sie verdient habe.»
«Wie hießen die noch?», warf Lana ein.
«Baader-Meinhof», murmelte Guerrini, und d’Annunzio sah ihn bewundernd an.
«Und was dann?»
«Nichts, Commissario. Der Prozess fand nicht statt. Und seit fünfzehn Jahren wohnte Altlander die meiste Zeit hier – sehr zurückgezogen. Erst mit einem jungen Mann namens Raffaele Piovene, der wohl auch Dichter ist, und dann mit Enzo Leone.»
«Schon wieder ein Schwuler!», stöhnte Lana.
Niemand sagte etwas. Nach langem Schweigen räusperte sich Guerrini. «Lebt dieser Raffaele Piovene noch?»
«Sì!», meldete sich d’Annunzio. «Ich hab nachgeforscht und ihn in Rom gefunden. Ich habe Adresse und Telefonnummer.»
«Sehr gut, d’Annunzio.»
«Soll ich ihn anrufen, Commissario?»
«Das mach ich lieber selber. Hast du was Neues, Capponi?»
«Nein, Commissario. Wir haben den Unfallort noch zweimal abgesucht. Kein Lacksplitter, keine Scherbe, gar nichts. Aber der Arzt von Signora Michelangeli hat mich angerufen. Er glaubt, dass der Wagen, der die Signora überfahren hat, Schutzstangen vor dem Kühler hatte. Das könne er an den Prellungen sehen.»
«Und warum ruft der Arzt nicht mich an?»
«Weil Sie gestern Abend nicht da waren, Commissario, und d’Annunzio das Gespräch an mich weitergeleitet hat.»
«Aber ich war im Krankenhaus und habe mit ihm gesprochen!»
«Es ist ihm erst eingefallen, als Sie schon weg waren, Commissario.»
«Santa Caterina!», stöhnte Guerrini. «Tommasini! Gibt es noch etwas Wichtiges zu Elsa Michelangeli?»
«Nur dass sie auch immer politisch links war, dass sie vor dreizehn Jahren das Haus in der Nähe von Altlander gekauft hat. Aber sie kennt ihn schon länger. Also, wenn Sie mich fragen, Commissario, dann ist das ein ganz schöner Kuddelmuddel, und ich finde, dass diese Künstler ziemlich komplizierte Menschen sind.»
In der Mittagspause ging Guerrini einkaufen – schaffte es gerade noch, ehe die Rollläden der Lebensmittelgeschäfte herabdonnerten – mittelalten Pecorino, Lauras Lieblingskäse, rohen
Weitere Kostenlose Bücher