Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Schinken, Salami, eingelegte Oliven, Tomaten, ein frisches toskanisches Weißbrot und einen großen Strauß duftender blassroter Rosen. In der Annahme, dass Zenia bereits fort war, trug er alles nach Hause. Aber Zenia war noch da und musterte erst die Rosen, dann die Plastiktüten mit den Einkäufen und zuletzt Guerrini selbst mit jenem alles durchdringenden Blick, der ihm so unangenehm war.
«Soll ich Sachen in Kühlschrank?», fragte sie langsam.
«Ich mach das schon.» Er musste sie fast zur Seite drängen, um in seine Küche zu kommen.
«Soll ich Rosen in Vase?» Beide Fäuste in die Hüften gestemmt, stand sie in der Küchentür.
«Nein, danke.» Guerrini bemühte sich um einen halbwegs freundlichen Ton. Plötzlich erinnerte er sich an den Satz eines Studienfreunds, der Psychologe geworden war. Sie hatten über Frauen gesprochen, besonders über Mütter und Tanten, und warum sie ständig Anweisungen geben und Belehrungen erteilen. Der Freund hatte gesagt, dass er aufgrund seines Studiums die Sache so sehe: Frauen hätten die Neigung, in leere Räume vorzudringen. Männer dagegen schafften diese leeren Räume, indem sie nichts sagten und nichts täten.
«Sie müssen Rosen anschneiden unten!», sagte Zenia in diesem Augenblick.
Guerrini fuhr herum.
« Grazie, Zenia! Wenn du hier fertig bist, dann kannst du jetzt gehen. Ich möchte mich gern ein bisschen ausruhen.»
Sie war beleidigt, griff nach ihrer Tasche und bewegte sich langsam in Richtung Wohnungstür. Dann aber siegte doch ihre Neugier. Sie drehte sich halb zu Guerrini herum und sagte: «Wenn Besuch kommt, Sie mich morgen brauchen?»
«Nein, Zenia. Ich brauche dich erst nächste Woche wieder. So wie immer.»
Jetzt ging sie tatsächlich, ließ die Tür ziemlich laut ins Schloss fallen.
«Leere Räume», murmelte Guerrini und suchte ein geeignetes Messer, um die Rosen anzuschneiden. Ob Laura auch irgendwann sagen würde, dass er die Rosen anschneiden solle oder dass er eine warme Jacke brauche, dass er besser keine Nachspeise mehr essen solle? Als Carlotta aufhörte, in seine leeren Räume vorzudringen, da hatte sie bereits das Interesse an ihm verloren. Und er hatte sie verstanden.
Florenz lag links von der Autobahn hinter Industrieanlagen und einem dichten Dunstschleier. Es war heiß.
«Hat sich doch nicht so verändert, wie ich befürchtet habe», sagte Emilio Gottberg und reckte den Hals. «Über Florenz hing auch vor zwanzig Jahren gelber Smog. Jedenfalls im Sommer.»
«Macht es dir etwas aus, wenn ich weiterfahre? Wir können auf dem Rückweg in Florenz Station machen. Aber es wird allmählich spät …»
«Fahr nur, fahr!» Er lächelte. «Es ist besser, das Schwierigste ans Ende zu schieben.»
Laura warf ihm einen kurzen Blick zu. Er hatte sich wieder zurückgelehnt und sah starr auf die Autobahn vor ihnen. Laura ahnte, was er meinte. In Florenz würden die Erinnerungen an ihre Mutter übermächtig werden. Als sie nach der Mautstelle auf die Schnellstraße nach Siena abbogen, atmete Lauras Vater auf.
«Jetzt freu ich mich auf ein Bett! Hätte nicht gedacht, dass es so weit ist in die Toskana! Früher kam es mir viel näher vor.» Er lächelte vor sich hin. «Kinder müssen es so ähnlich empfinden wie ich. Beinahe hätte ich dich schon in Trient gefragt, ob wir nicht bald da sind.»
Dabei haben wir vier lange Pausen gemacht, dachte Laura, und trotzdem strengt es ihn sehr an.
«Wo werde ich denn schlafen?», fragte er. «Ist es nicht merkwürdig, dass ich mir seit Stunden Sorgen mache, wo ich heute Nacht schlafen werde? Ich glaube, ich werde wirklich langsam alt.»
«Warum hast du denn nichts gesagt, Vater?»
«Weil ich mich nicht lächerlich machen wollte.»
«Du machst dich doch nicht lächerlich, wenn du mir so eine völlig normale Frage stellst.»
«Doch! Weil nämlich jeder vernünftige Mensch darauf vertrauen würde, dass ein Zimmer und ein Bett auf ihn warten.»
Laura legte eine Hand auf seinen Arm.
«Also: Du wirst ein schönes, kühles Zimmer bekommen. Angelo hat dich in der Pension seiner Cousine untergebracht, und ich bin sicher, dass sie dich verwöhnen wird. Beruhigt?»
«Jaja, ist schon gut. Es tut mir leid.»
«Aber warum denn?»
«Weil ich dir nicht zusätzliche Sorgen machen will. Du hast schon genug um die Ohren. Ich möchte, dass du dich auf deinen Commissario und die Arbeit konzentrierst, Laura. Ich komm schon zurecht. Siena war immer eine meiner Lieblingsstädte. Ich werde mich zu den alten Männern
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