Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
Verhältnisse katastrophal.»
«Aber es gab wunderbare Fresken an den Wänden, und die Menschen waren gemeinsam krank, weil fünfzig in einem Saal lagen.»
«Möchtest du wirklich mit fünfzig anderen in einem Saal liegen, wenn du ernsthaft krank bist?»
«Besser als allein.»
«Vielleicht.»
«Sicher!»
Guerrini bog auf den Parkplatz des riesigen Krankenhauskomplexes ein.
«Das hier macht Angst!», sagte er.
«Das andere nicht?»
«Nicht so sehr. Es liegt gegenüber dem Dom – man war dem Himmel näher. Hier ist man einfach nur krank.»
Laura lächelte.
«Außerdem finde ich empörend, dass man den Ort meiner Geburt zum Museum gemacht hat. Wenn ich daran denke, fühle ich mich sofort alt.»
«Ach, das ist ja gar nichts verglichen mit meinem Geburtsort in München – der ist inzwischen ein Altersheim!»
«Dio mio!», murmelte Guerrini.
Elsa Michelangeli lag noch immer im künstlichen Koma auf der Intensivstation. Der Arzt wirkte besorgt.
«Es geht ihr nicht gut», sagte er und schaute über den Rand seiner Brille abwechselnd auf Laura und Angelo Guerrini. «Es gab Komplikationen. Sie hatte eine Nachblutung, die wir zum Glück schnell stoppen konnten. Aber ihr Kreislauf ist schwach und die Atmung eingeschränkt, weil die Lungenflügel gequetscht sind. Sie braucht ein paar Fürsprecher da oben!» Er hob den Blick zur Decke, die weiß und aus Beton war.
«Können wir sie kurz sehen, Dottore?», fragte Guerrini.
«Wenn Sie unbedingt wollen, Signori. Es hat nicht viel Sinn. Sprechen können Sie ohnehin nicht mit ihr. Im Augenblick ist sie nichts als ein bewusstloses Wesen, das um sein Leben kämpft. Und ich werde alles tun, um dieser großen Künstlerin dabei zu helfen.» Er schob die Brille etwas höher und seufzte. Dann wandte er sich um und bedeutete Laura und Guerrini, ihm zu folgen. Sein Haar hing in kleinen Locken über den Kragen seines weißen Mantels. Und Laura dachte, welch seltsame Berufe sie alle drei hatten. Stets konfrontiert mit den Extremen des Lebens. Altlanders Gedicht fiel ihr wieder ein. Er passte auch in diese Gruppe. Vermutlich auch Elsa Michelangeli. Extremisten alle miteinander.
Vor der Intensivstation saß Galleo, sprang auf, als er sie kommen sah, stammelte einen Gruß.
«Wie lange sitzt du denn schon hier?», fragte Guerrini.
«Seit halb sechs. Ich habe Tallone abgelöst.»
«Hast du’s gesehen? Das Foto.»
«Ja, Commissario.»
«Schlimm?»
Galleo trat von einem Fuß auf den anderen und starrte auf den Boden.
«Peinlich», murmelte er.
«Soso. Ich habe es noch nicht gesehen.»
«Vielleicht sollten Sie es besser nicht anschauen, Commissario.»
«Ach, mach dir keine Sorgen. Das wird schon wieder. Denk an die peinlichen Fotos von Berlusconi oder Prinz Charles. Die haben das alle überstanden. Wichtig ist, dass du gut aufpasst und keinen reinlässt, der hier nichts zu suchen hat!»
«Zu Befehl, Commissario.»
«Bene, Galleo.»
Sie gingen weiter, folgten dem Arzt in einen Seitenraum, dessen Tür zwar ausgehängt war, der aber trotzdem ein wenig Intimität bot, gemessen an den zehn Betten, die im Hauptraum der Intensivstation nebeneinanderstanden.
Elsa Michelangeli lag auf dem Rücken. Die Beatmungsmaske verdeckte den größten Teil ihres Gesichts. Ihre langen weißen Haare hatten die Schwestern straff nach hinten gebürstet.
«Seltsam», murmelte Guerrini. «Altlander atmete sein verdammtes Lachgas auch durch so eine Maske ein.» Er legte seine Hand auf die gelbliche, leblose der Künstlerin. Behutsam, als könnte die leiseste Berührung sie erschrecken.
«Wie hilflos wir werden können … es braucht gar nicht viel – ein kräftiger Stoß, ein Sturz. Man denkt besser nicht darüber nach … Sie war so eine stolze Frau.»
«Das ist sie immer noch!» Die Stimme des Arztes klang streng. «Sie lebt, und solange sie lebt, bleibt sie eine stolze Frau!»
«Ich weiß nicht, ob ich mich in dieser Situation stolz nennen würde.»
«Darauf kommt es in dieser Situation nicht an, Commissario. Es kommt darauf an, wie die andern Sie sehen. Die andern sind wichtig, um den Stolz und die Würde zu erhalten. Wir alle hier verehren sie sehr, und wir achten den Stolz der Signora.»
Guerrini schaute den dicklichen Arzt mit den etwas zu langen Haaren verblüfft an. Der nickte und überprüfte die Maschinen, die Elsa Michelangeli beim Überleben helfen sollten.
«Finden Sie den, der das getan hat», sagte der Arzt. «Inzwischen ist es selbst zu mir in diesen Betonbunker
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