Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
gedrungen, dass es ein Mordanschlag war. Sie hätten es mir auch gleich sagen können, Commissario.»
«Was hätte das geändert?»
«Nichts.» Der Arzt verzog das Gesicht. «Aber es hätte meine Neugier befriedigt.»
«Sind Sie immer so ehrlich?»
«Nur bei Leuten, die mir sympathisch sind.»
« Grazie, dottore . Können Sie mir sagen, wann Sie die Signora aus dem künstlichen Koma holen werden? Ehrlich, meine ich.»
Der Arzt lächelte und setzte seine Brille ab.
«In zwei, drei Tagen vielleicht – es kann aber auch noch eine Woche dauern. Kommt darauf an, wie sich ihre Atmung entwickelt. Und auch wenn wir sie aufwecken, dauert es ein paar weitere Tage, ehe sie ansprechbar sein wird, wenn Sie darauf anspielen, Commissario. Möglicherweise erinnert sie sich an nichts – all diese Dinge stehen in den Sternen.» Wieder schaute er zur Decke, und Laura dachte, keine Sterne da oben, bloß Beton. Dachte es noch immer, als sie sich längst verabschiedet hatten und zum Auto zurückgingen. Schüttelte den Kopf, um den Gedanken loszuwerden.
«Wieso bekommt die Haushälterin eigentlich keinen Personenschutz?», fragte sie, als Angelo die Zentralverriegelung des Lancia entsicherte.
«Weil sie versprochen hat, das Haus nicht mehr zu verlassen.»
«Das ist doch Quatsch. Natürlich wird sie das Haus verlassen, und wenn die es wirklich auf sie abgesehen haben, dann werden sie Signora Piselli genau beobachten.»
Guerrini ließ sich in den Fahrersitz fallen und nickte grimmig vor sich hin.
« Die . Du hast es ganz richtig formuliert. Wenn ich nur eine blasse Idee hätte, wer die sein könnten.»
«Lass uns zu Signora Piselli fahren.»
«Aber in der Questura warten sie wahrscheinlich schon auf mich, um das Drama des lächerlichen Fotos zu zelebrieren.»
«Noch ein Grund, um Signora Piselli zu besuchen. Hattest du das nicht ohnehin vor? Irgendwie erinnere ich mich daran, dass ich so etwas heute Morgen im Halbschlaf gehört habe.»
«Du bist eine verdammt gute Commissaria, nicht wahr?»
«Keine Ahnung. Aber ich weiß, dass ich jetzt nicht in die Questura will, um dieses alberne Theater mit anzusehen. Signora Piselli und ihre Sicherheit finde ich wesentlich dringlicher.»
«Deutsche Gründlichkeit?» Guerrini warf ihr einen scharfen Blick zu, während er den Lancia aus der Parklücke steuerte.
Laura zuckte die Achseln.
«Neugier!», antwortete sie. «Ich will näher ran an diese Geschichte. Mir ist das alles zu vage.»
« Bene! Fahren wir nach Asciano, und danach können wir gleich einen Abstecher nach Borgo Ecclesia machen.»
«Wer wohnt da?»
«Das werde ich dir später erzählen. Da wohnt jemand, den ich eigentlich gar nicht sehen will.»
Laura kannte Asciano, erinnerte sich an diese herbe kleine Stadt, die sich selbst Hauptstadt der Crete nannte. Vor Jahren war sie mit Ronald und den Kindern hier umhergestreift, hatte im einzigen Hotel erbittert um den Übernachtungspreis gefeilscht und tatsächlich nur die Hälfte bezahlt. Und sie hatte einen Laib Pecorino gekauft, die romanische Kirche bewundert und sich über das protzige Carabinieri-Revier in einem gruseligen Bau aus der Mussolinizeit geärgert.
Das Haus der Familie Piselli lag irgendwo etwas außerhalb Richtung Autostrada und Lago Trasimeno.
Deshalb mussten sie Asciano durchqueren, ein wenig rechts vom Zentrum durch graue Straßen, die von Häusern mit blätternden Fassaden gesäumt wurden. Nichts hatte sich verändert, seit Laura das erste Mal hier gewesen war.
«Jetzt mach die Augen zu, dann musst du diesen Schandfleck nicht sehen!», knurrte Guerrini.
«Haben Sie’s immer noch nicht gesprengt?», fragte Laura ungläubig.
«Wenn du das faschistische Hauptquartier der Carabinieri meinst … nein, sie hausen immer noch drin, und niemand scheint sich darüber aufzuregen.»
«Kontinuität der Macht! So könnte man das nennen, nicht wahr?» Laura warf einen kurzen Blick auf das sandfarbene halbrunde Gebäude mit den angedeuteten Säulen, und sie fand es plötzlich interessant, dass die faschistischen Architekten einen Stil geschaffen hatten, an dem ganz deutlich etwas nicht stimmte. Die kalte Machtgeste war in allem zu spüren. Das Gebäude war zu groß geraten für die kleine Stadt, und es war hässlich, obwohl es Ästhetik vortäuschte.
«Gibt es das in Deutschland auch? Polizeireviere in Nazigebäuden?»
«Ich weiß es nicht.» Laura schaute in die andere Richtung. «Ich habe noch keins gesehen. Kann es mir auch nicht recht vorstellen. Unser
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