Wolfstod: Laura Gottberg ermittelt
schaffe ich es nicht. Ich muss noch mit der Haushälterin von Altlander sprechen und ins Krankenhaus zu Elsa Michelangeli. Ach, ruf bei der Zeitung an und sag ihnen, dass sie das Negativ oder sonst was Elektronisches herausgeben sollen, damit unser Labor sich den schwarzen Wagen genauer ansehen kann. Sei höflich.»
«Sì, commissario.»
«Kopf hoch, Tommasini.»
Guerrini legte das Telefon weg, ging in die Küche und setzte den Schnellkocher in Betrieb, trank ein Glas Wasser. Danach trat er auf die Terrasse, schaute über die Dächer der Stadt, genoss die kühle Luft, die von der Nacht zurückgeblieben war. Jetzt war er wach. Und er hatte genug von dem Versteckspiel des großen Unbekannten. Sie mussten sich die Muster seines Vorgehens genau ansehen. Vielleicht war es möglich, ihm eine intelligente Falle zu stellen. Der Nächste auf Enzo Leones Liste war jedenfalls Paolo Montelli, und Guerrini fühlte eine merkwürdige Hemmung vor dieser Begegnung. Er ging zurück in die Küche und goss Tee auf. Laura verabscheute Kaffee am frühen Morgen, das hatte er nicht vergessen. Und er wusste auch, dass sie einen halben Löffel braunen Zucker und ein wenig Milch in ihren Tee tat. Es machte ihn auf seltsame Weise glücklich, einen Morgentee für sie zuzubereiten und zu wissen, dass sie in seinem Schlafzimmer lag und in ein paar Minuten verschlafen die Tasse entgegennehmen würde, mit jenem Lächeln, das er liebte; er würde ebenfalls eine Tasse Tee trinken, neben ihr, und sie würde ihn ansehen und fragen: «Che succede?»
Und er würde ihr erzählen, was Tommasini am Telefon berichtet hatte. Und sie würde lachen.
Ich bin richtig sentimental, dachte er. Aber vielleicht bin ich gar nicht sentimental, sondern einfach glücklich.
Guerrini trug die beiden Tassen ins Schlafzimmer, weckte Laura mit einem Kuss in den Nacken. Sie lächelte, rieb sich die Augen und freute sich über den Tee. Dann musterte sie ihn forschend.
«Das Telefon hat doch geläutet. Oder hab ich das geträumt? Nein, ich sehe es deinem Gesicht an, dass du schon telefoniert hast. Che succede? »
Guerrini lachte.
«Warum lachst du?»
«Weil ich wusste, dass du genau das sagen würdest.»
«Bin ich schon so berechenbar für dich?»
«Überhaupt nicht. Nur wenn du gerade aufgewacht bist.»
Und dann erzählte er ihr Tommasinis kleines Drama. Laura lachte.
Die Fahndung nach einem schwarzen Geländewagen, vermutlich Marke Toyota, lief. Es meldeten sich unzählige Bürger von Siena bis Asciano, Buonconvento, Montalcino, selbst in der Nähe von San Galgano war einer gesehen worden. Man musste die Carabinieri um Unterstützung bitten, denn die Polizei allein konnte unmöglich den vielen Hinweisen nachgehen. So waren alle gut beschäftigt, zumal Elsa Michelangeli und Enzo Leone auch noch Personenschutz benötigten.
Laura und Guerrini hatten sich trotz allem ein Frühstück auf der Terrasse gegönnt, danach Emilio Gottberg besucht, der bereits in Natalias Küche saß und Milchkaffee trank.
«Ich werde heute einen sehr ruhigen Tag einlegen!», verkündete er. «Dein Vater will mir ein bisschen die Gegend zeigen, Angelo. Er holt mich um zehn ab. Macht euch um mich keine Gedanken. Heute Abend will ich früh ins Bett gehen. Arbeitet nur.»
«Ist das wirklich in Ordung, Vater?», fragte Laura.
«Allerdings! Fang nicht wieder mit deiner Fürsorglichkeit an!»
«Na ja, in München beschwerst du dich ziemlich oft, dass ich keine Zeit für dich habe …»
«Wir sind nicht in München. In Italien habe ich mich noch nie gelangweilt.»
«Bene!», sagte Laura.
«Bene!», grinste der alte Gottberg.
«Bene!», fügte auch Guerrini hinzu und hoffte, dass die beiden alten Männer wirklich Freunde werden würden.
Guerrini beschloss, Elsa Michelangeli zu besuchen, ehe sie sich dem Gelächter in der Questura stellen mussten. Er hatte seinen Wagen zum Glück nicht im Hof des Polizeipräsidiums abgestellt, sondern ausnahmsweise in der Nähe seiner Wohnung. So konnten sie zum Krankenhaus fahren, ohne von seinen Kollegen gesehen zu werden.
«Das neue Krankenhaus ist nicht schlecht – sehr modern, ziemlich gut ausgestattet. Aber ich hänge noch immer am alten Spedale Santa Maria della Scala. Wahrscheinlich weil ich dort geboren wurde. Ich finde es einfach beruhigend, an einem Ort gepflegt zu werden, wo schon Generationen vor mir gepflegt wurden. Es war eines der ersten Krankenhäuser überhaupt!»
«Romantiker!», erwiderte Laura. «Wahrscheinlich waren die hygienischen
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