Wolfstränen - Roman (German Edition)
Sachen stecken, die dich nichts angehen.«
Die alte Polly heulte. Sie fürchtete sich vor Bernard.
»Ist schon gut, Weib«, sagte er tonlos. »Verschwinde. Ich muß nachdenken.«
»Du bist ungerecht«, murmelte Dandy das Wiesel. Er nahm einen tiefen Zug aus der Flasche und rülpste.
Bernard starrte ihn an. »Halt deine Klappe!«
»He, Berny, was ist los mit dir? Ich hab‘ dir den Franzosen gebracht und ausserdem kennen wir uns seit zehn Jahren. Seit wann bist du so unfreundlich zu mir?« Dandy grinste ungerührt.
»Weiß jemand, wo Meggy ist?«
Dandy zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat Strock ne Ahnung.«
»Strock! Wo um alles in der Welt ist der denn? Sind alle Vögel ausgeflogen? Da bin ich mal ein paar Tage krank und alle machen, was sie wollen.«
»Niemand ist dir Rechenschaft schuldig.« Dandy blinzelte. Es gehörte eine ganze Menge Mut dazu, Bernard darauf hinzuweisen, dass er nie zum regulären Anführer gewählt worden war.
»Ich mache mir Sorgen um Meggy. Vielleicht hat dieses feine Weib ihr was angetan.« Bernard seufzte. Seit ihrem Wutausbruch hatte sie sich weder um ihn gekümmert, noch hatte sie sich sehen lassen.
Dandy schmunzelte. »Sie is‘ ein gutes Mädchen, deine Meggy. Solltest sie zu deiner Frau nehmen, auf’s Land gehen und ein neues Leben beginnen.«
»Als Leibeigener für irgendeinen Großkotz?«
Seine Pläne hatten sich in Luft aufgelöst. Polly Hütte war leer. Diese verdammte Nell war verschwunden und mit ihr Meggy und Strock. Etwas stimmte an der Sache nicht. Sie stank zum Himmel.
Bernard wischte sich über die Augen. Ihm war übel. »Rufe alle zusammen, die Zeit haben. Sie sollen ausschwärmen und nach Meggy und Strock suchen.«
Dandy schüttelte den Kopf und äugte mit seinem einen Auge in die geleerte Flasche. »Nee, Berny. Das is‘ deine Privatsache. Diese Magiergeschichte geht uns allen gewaltig auf den Keks. Keiner hat Lust für deine Rache am Galgen zu enden. Die Sache am Halls Inn war schon gefährlich genug und wäre fast schief gegangen. He, wenn du Recht hast und es handelt sich um ’nen echten Magier, waren wir alle in großer Gefahr. Halte mich nicht für einen Trottel. Ich hatte ganz schön Schiss, durch einen Zauberspruch in ’ne Maus verwandelt zu werden oder so und ich hab’ mir geschworen, dass ich dich ab sofort bei deiner Rache nich’ mehr unterstütz. Und was Strock sich geleistet hat, war mutig, aber dumm.«
»Warum? Was hat er getan?«
»Er hat ‘nen harmlosen Wirt beraubt. Hat ihn zusammengeschlagen und ihm die Kleider geklaut. Der Mann wird nie mehr laufen können. Findest du nicht, daß das alles ein bißchen viel ist? Wir sind zwar arme Händler, aber keine Verbrecher.«
Polly band sich ihren Strohhut auf den Kopf und schnappte sich den Eimer. Sie schlurfte auf nackten Füßen hinaus und warf Benard einen schrägen Seitenblick zu.
»Sie is‘ eine gute Alte«, sagte Dandy und winkte Polly hinterher. »Sie hat meiner Peg das Kind, unseren Peter, geholt und es ‘ne Zeit durchgefüttert, nachdem Peg gestorben war. Sie hat dem Kleinen warme Kleider genäht, als er im letzten Winter fast erfroren is‘.«
»Und wo ist dein Peter jetzt, he?«
»Das weißt du genau!«
Bernard verdrehte seine Augen. Was war das für eine miese Welt. Daran würde er sich nie gewöhnen. Diese Kinder waren noch so jung.
Die Kleinen klauten irgendwelchen Reichen die Taschentücher aus der Hose und verkaufte diese an die Juden in der Field Lane für zwei Pence das Stück, je nach dem, wie ausgefallen die Muster und der Stoff waren. Bernard erinnerte sich an den vierjährigen Jungen, Peter, der noch nach Jahren stolz davon erzählte, daß er am Lord Mayor’s Day vier Taschentücher gestohlen und damit elf Schilling gemacht hatte. In den Zipfel eines Taschentuches waren sechs Pence geknotet gewesen. Manchmal waren die Tücher auch um Geldbörsen gewickelt, dann lohnte es sich ganz besonders. Besonders begehrt waren die Kingsmen , die mit den schönen Blumen drauf.
Peter, heute zehn Jahre jung, war geschnappt worden und vegetierte nun in einem Gefängnis dahin. Er war als Landstreicher verurteilt worden und mußte nun achtzehn Stunden täglich Werg zupfen.
Irgendwann würde er etwas wirklich Schlimmes anstellen und – wenn er Glück hatte – nach Hobart, Van Diemen’s Land, deportiert werden. Mit noch mehr Glück würde er die sechs Jahre Sklaverei überleben und danach ein neues Leben beginnen, in einem Land, in dem jeden Tag die Sonne schien! Ein
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