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Wolfstränen - Roman (German Edition)

Wolfstränen - Roman (German Edition)

Titel: Wolfstränen - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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kümmerte man sich nicht über Gebühr um Todesfälle im Händlerviertel, aber manchmal kam es vor, dass ein Verräter einen von ihnen für ein paar Pennys an den Galgen lieferte.
    Warum aber war Meggy ihm in den Rücken gefallen und hatte die Entführte befreit? Das ergab keinen Sinn. Vergeblich suchte Bernard nach einem Zusammenhang. Sie hatte sich wütend von ihm getrennt, aber das war kein Grund, um ihn zu verraten.
    Irgendwo da draussen war Meggy. Sie zu finden war erst einmal das Wichtigste!
    Später würde er sich um Blackhole kümmern. Dieser Hund lief ihm nicht davon.
    Himmel, es mußte doch noch etwas außerhalb dieses Molochs geben. Sonne vielleicht, genug zu essen und ein warmes Bett. Gras und Wiesen, die nach Blüten dufteten, nicht nach fauligem Fisch. Ein Leben ohne Hass und Rache, dafür mit einer lieben Frau und zwei oder drei Kindern. Eine hübsche Wohnung und eine Arbeit, der man sechs Tage in der Woche von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends nachging. Sonntags der Kirchenbesuch und ein Picknick im Grünen.
    Es liegt bei dir! würde Dandy sagen. Wenn es einer von uns schaffen kann, dann bist du es ... gemeinsam mit Meggy!
    Deprimiert starrte Bernard zur Treppe hin, auf der sich erneut etwas tat.
    Meggy trat ein. »Du solltest dich rasieren, Bernard«, sagte sie. »Ich habe Besuch mitgebracht.«
    Ihr folgte eine wunderschöne Frau. Blackholes Hausmädchen und Geliebte.
     
     
     
     

14
     
    Neugierig und heimlich musterte Nell das Gesicht von Bernard Scofield. Es war das Gesicht eines jungen Mannes, nicht älter als dreiundzwanzig. Trotzdem wirkte es wesentlich älter, denn tiefe Spuren hatten sich um Mund und Augen herum in die Haut gebrannt. Graue Augen, die nach innen blickten, belebten dieses Gesicht, Augen, die eine Unmenge Leid gesehen hatten, Augen, in denen der Zorn tanzte.
    Es hatte mehr als eine halbe Stunde gedauert, bis Bernard Scofield seine Verwirrung herunterschluckte und nun saßen sie gemeinsam um den wackeligen Tisch und starrten auf die Tischplatte.
    Noch immer berichtete Meggy in ihrer unnachahmlichen Art, was geschehen war und Bernard zeigte mit keiner Regung, was er empfand.
    Endlich endete Meggy und seufzte lange.
    Von der Straße drangen Stimmen hoch, Pferdewagen krachten vorbei und irgendwo schrie gellend eine Frau.
    »Ich kann es nicht glauben«, brach Bernard das Schweigen. Er blickte auf und seine Augen versanken in denen von Nell. »Wir sitzen hier, als sei nichts geschehen, meine Freundin erzählt ungerührt von dem Verrat, den sie nach all den Jahren an mir begangen hat, und ich habe das Gefühl, als wenn der Boden unter meinen Füßen wegschwimmt!«
    Zaghaft legte Meggy ihre Hand auf die von Bernard. Er ließ es geschehen.
    »Ihr seit zwei verrückte Weiber«, knurrte Bernard. Er sprang auf und gestikulierte mit dem gesunden Arm. »Unsere Miss Nell ist ebenso ein Opfer, wie ich es bin! Es ist... unglaublich!« Als müsse er sich den Sachverhalt wieder und wieder bestätigen, murmelte er kopfschüttelnd: »... unglaublich, unglaublich!«
    »Und du dachtest wirklich, ich hätte Strock ermordet?«, fragte Meggy.
    »Verdammt, Meggy ...«, begehrte Bernard auf. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich noch denken soll!«
    »Schrei mich nicht an, Bernard!« Meggy sprang auf. »Es ist immer dasselbe mit dir! Und du hast es gedacht, geb’s zu!«
    Bernard stöhnte dumpf und schlug seine Augen nieder. »Wie soll ich denn davon ausgehen, daß Strock mit einer Lüge auf den Lippen stirbt, wie soll ich das? Im Angesicht Gottes. Das ist Sünde, das ist ... Blasphemie ... im Angesicht des Herren stirbt man nicht mit einer Lüge.« Ihm fehlten die Worte und Nell empfand Mitleid für diesen großen Mann, der sich Meggys vernichtendem Urteil widerstandslos beugte.
    »Vielleicht hatte Strock verlernt zu glauben«, sagte Nell sanft.
    »Ja, vielleicht«, gab Bernard leise zurück.
    »Nichts ist wie es schien«, sagte Nell. Sie war die einzige, die noch saß. »Es wird eine Zeitlang dauern, bis ich mich mit dem Gedanken abgefunden habe, einen Menschen getötet zu haben.«
    »... der Sie missbrauchen wollte«, fügte Bernard hinzu. Auf seiner Stirn pulsten Adern. »Er hat es nicht anders verdient. Auch wenn er mein Freund war – er hat es nicht anders verdient!«
    »Und du?«, keifte Meggy. »Wolltest du unsere arme Nell etwa mit Samthandschuhen anfassen?«
    Zwei zu Null für Meggy.
    »Ja, ja«, wedelte Bernard mit den Armen und ergab sich. »Wir haben eine Menge Fehler

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