Wolfstraeume Roman
geschmeidigen Körper im Spiegel bewunderte.
»Blutest du?«
Ich blickte in ihre dunklen mandelförmigen Augen und wusste nicht, ob es besser war, zu lügen oder die Wahrheit zu sagen.
»Auch egal. Setz dich. Ich untersuche dich. Ich bin ausgebildete Sanitäterin.«
»Red auch. Es wär mir lieber, wenn du mich nicht berührst.« Sie war gerade aus unserem Haus gekommen. Man brauchte nur eins und eins zusammenzurechnen, um zu wissen, dass sie in meinem Bett geschlafen hatte.
»Der kann nicht«, entgegnete sie und zeigte auf Red. Er befand sich noch immer in seiner Wolfsgestalt, verletzt und keuchend.
Ich sah Magda an. Ich wusste, dass die Maske fallen würde, wenn ich sie jetzt abwies. Aber da ich noch nicht bereit
war, sie in ihrer wahren Form zu erleben, willigte ich notgedrungen ein. Ich setzte mich auf eine alte Holzbank, die auf der Veranda stand, und erlaubte der Geliebten meines Mannes, sich die Wunde an meinem Schenkel anzusehen. Meine Jeans war zerfetzt und voller Blut. Magdas Nasenflügel bebten, als sie das Blut roch.
»Falls du den Anblick von Blut nicht ertragen kannst, bist du keine große Hilfe«, sagte ich kühl.
»Blut stört mich nicht. Weißt du, dass du bald deine Periode bekommst? Nein, warte.« Wieder zitterten ihre Nasenflügel, während ich Anstalten machte aufzustehen. »Es ist gar nicht deine Menstruation. Du stehst vielmehr kurz vor einer Verwandlung.« Sonderlich begeistert klang sie nicht. »Hunter, du hast mir überhaupt nicht gesagt, dass deine Frau auch zu den pricolici gehört«, rief sie meinem Mann zu.
Der Unwolf namens Hunter gab einen grunzenden Laut von sich, nicht unähnlich den unbestimmten Lauten, die er manchmal auch in menschlicher Gestalt von sich gab. Einige Dinge ändern sich also nicht mal bei Vollmond, dachte ich. Mir fiel auf, dass sein Oberarm und sein Schenkel blutverschmiert waren. Ich kümmerte mich jedoch nicht weiter darum.
Stattdessen musterte ich heimlich Magda. Sie war größer als ich und schien schwerere Knochen zu haben. In dem Rollkragenpulli kamen ihre vollen Brüste und ihre schmale Taille gut zur Wirkung. Dazu trug sie einen schweren, breiten Ledergürtel, dessen Schnalle beinahe mittelalterlich wirkte. Ein goldener Ring, der eher nach einem Schlagring als nach einem Ehering aussah, schmückte eine ihrer Hände. Die dunklen Haare waren jungenhaft kurzgeschnitten und hatten eine weiße Strähne. Sie besaß jene Art von geschwungenen
Lippen, die Männer dazu veranlassen können, ihre Unterhosen zurechtzuziehen.
»Ich dachte, ihr seid nicht mehr zusammen«, sagte sie zu mir und wandte sich dann erneut an Hunter. »Ich bin nur deshalb gekommen, weil du gesagt hast...«
»Offenbar hat er uns beide betrogen«, stellte ich lapidar fest.
Magdas Augen blieben ausdruckslos, als sie mich ansah. »Du wirst für einige Stunden bluten. Man kann das Blut nicht aufhalten, bis du deine Gestalt verändert hast. Vielleicht stirbst du auch daran. Nicht jeder überlebt eine Metamorphose, weißt du.«
»Offenbar hat man dir bei der Sanitäterausbildung nicht beigebracht, wie man mit seinen Patienten umgeht.« Ich markierte die Harte, aber in Wirklichkeit war mir so schwindlig, dass ich mich für einen Moment an der Rücklehne der Bank festhalten musste.
»Du solltest noch nicht aufstehen.« Sie streckte die Hand aus, um mir zu helfen. Als sie mich berührte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. »Vielleicht möchtest du dich im Haus ja frisch machen?« Sie warf einen Blick auf meine blurbefleckre Jeans.
Wirklich eine reizende Gastgeberin. »Ich möchte jetzt weg von hier.«
»So kannst du aber nicht fahren. Deine Hände zittern. Außerdem habe ich nicht vor, dich umzubringen, wenn du das befürchtest.« Sie lächelte eisig. »Wir sind doch alle zivilisierte Menschen – oder etwa nicht?«
»Sind wir das?« Ich ging ohne ein weiteres Wort ins Haus und verschwand dort im Badezimmer. Es war schwierig, mit den bandagierten Händen die Jeans auszuziehen, aber
zumindest ging die Wunde, die mir Red zugefügt hatte, nicht so tief wie befürchtet. Idealerweise hätte man sie zwar nähen müssen, aber nun wusch ich sie eben und wickelte mir notdürftig einen Verband darum. In meinem Schrank fand ich auch ein frisches Höschen und zog dann eine lose Trainingshose an. Zumindest schienen meine verbrannten Hände fast wieder ebenso brauchbar wie früher zu sein.
Weniger erfreulich war allerdings die Tatsache, dass Magdalenas Zahnbürste und ihr Make-up auf meinem
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