Wolfstraeume Roman
wäre ich die einzige Lichtträgerin in einer dunklen Welt.
»Alles in Ordnung, wir sind gleich da.« Ich führte ihn in die Bar und von dort aus zur Eingangstür, um mit ihm in den Wald in der Nähe unseres Hauses zu fahren. An der Theke saßen einige bärtige Northsider Jägertypen, die sich ein Bier genehmigten. Wäre ich noch in der Lage gewesen, klar zu denken, hätte ich Red einfach von der Terrasse aus direkt in den Wald geführt. Aber ich meinte es gut mit ihm. Ich wollte ihn in seine vertraute Umgebung bringen.
»Hallo, Abs.«
Ich blickte auf und sah einen bärtigen Mann mit zornigen Augen vor mir. Für einen Moment verstand ich nicht, was er von mir wollte. Doch dann erkannte ich ihn – trotz des gewaltigen schwarzen Bartes.
Es war Hunter.
33
Das letzte Mal, als ich Hunter gesehen hatte, war am Morgen des Thanksgiving-Tages gewesen. Und zwar glatt rasiert. Weniger als achtundvierzig Stunden später stand er nun vor mir und sah wie eine fiese Ausgabe von Grizzly Adams aus. Mit einem Schlag kam mir die ganze Lykanthropie-Geschichte nicht mehr so unwahrscheinlich vor.
»Hunter!«
Er trug ein schwarzes Sweatshirt, dunkle Jeans und wirkte beinahe wie ein bärtiger Auftragskiller.
»Hallo, Abra.« Seine Nasenflügel bebten so, dass ich mich fragte, ob er wohl meinen Geruch einsog. Wir wurden uns gleichzeitig der Gegenwart von Red bewusst, der ja hinter mir stand.
Ich warf einen Blick über die Schulter und hoffte inbrünstig, einen normalen, wachsamen Red zu sehen, entspannt und vorsichtig. Zum Glück hatte er es tatsächlich geschafft, seinem üblichen Selbst recht nahezukommen – zumindest wenn man nicht das bleiche Gesicht, die gelben Augen und den Schweißfilm bemerkte.
»Hallo, Hunter.«
»Hi, Red. Und? Fickst du schon meine Frau?« Hunter trat einen Schritt näher und schnüffelte. »Ah, also noch nicht.
Verstehe. Aber du wirst ihr so lange hündisch ergeben folgen, bis sie einen schwachen Moment hat. Ist das der Plan?«
Red lächelte. Es war kein freundliches Lächeln. Seine Zähne wirkten auf einmal sehr scharf. »Sieht ganz so aus, als wärst du auch auf den Hund gekommen?«
»Sie trägt mein Kind in ihrem Bauch.«
»Hunter!« Die Leute in der Bar hörten uns gespannt zu.
»Nein, tut mir leid, mein Guter. Das tut sie nicht. Das ist nur der Virus, der sich bemerkbar macht. Sie hat ihn jetzt auch.«
»Was weißt du denn schon davon, Kammerjäger?« Hunter stand von seinem Barhocker auf, und ich spürte, wie mir das Adrenalin durch den Körper schoss. Ich war beileibe nicht die Einzige, die merkte, dass Gewalt in der Luft lag. Die anderen Gäste flüsterten miteinander und begannen, sich um uns zu versammeln.
»Macht das draußen aus, Jungs«, erklärte Reds Bekannter, der für alle zu sprechen schien.
»Red, tu es nicht.« Ich packte ihn am Arm. Mir kam nicht einmal im Entferntesten der Gedanke, meinen Mann festzuhalten.
Red sah mich an und nahm dann mein Kinn in seine Hand, um in Sekundenschnelle seine Lippen auf die meinen zu pressen. Noch ehe ich protestieren konnte, erkundete er mit seiner Zunge meinen Mund. Ich versuchte ihn wegzustoßen. Ich spürte Hunters Blick, aber auch die Erregung, die sogleich wieder zwischen Red und mir aufkam.
Toll – jetzt lagen also Gewalt und Lust in der Luft.
»Herrlich«, murmelte Red, nachdem er sich von mir gelöst hatte, und blickte Hunter an.
Es war eine eindeutige Herausforderung.
»Nach draußen, Red. Offenbar haben wir einiges zu klären.«
Red grinste. Zu meiner Überraschung lernte ich eine Seite von ihm kennen, die mir bisher verborgen geblieben war: Er genoss die Situation. Er schien das Ganze amüsant zu finden, während Hunter sichtbar nichts anderes empfand als Wut und verletzten Stolz. »Was? Nach draußen? Jetzt? Vor all den Leuten?«
»Bist du auch noch ein feiges Schwein oder was?«
Reds Augen wurden zu schmalen, belustigt blitzenden Schlitzen. »Also, also... Stock und Stein brechen vielleicht mein Gebein, aber solche Worte bringen noch mehr Pein... zu dir oder zu mir, Süßer?«
»Zu mir.« Hunter wies mit dem Daumen auf mich, als wäre ich sein Hund. »Abra kommt mit mir.«
»Den Teufel wird sie tun.«
Ich legte Red meine verbrannte Hand auf die Schulter. »Ist schon in Ordnung.«
Er schüttelte den Kopf und sah mich eindringlich an. »Tu das nicht, Doc.«
Hunter lachte. »Du kannst sie nicht sonderlich gut kennen, wenn du meinst, dass sie das überzeugt. Komm, Abs, fahren wir.«
Ich hoffte insgeheim, auf der
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