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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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Bedeutete Hunters Verhalten, dass er mich auf einmal anders wahrnahm?
    Oder wies es eher daraufhin, dass er mich in Wirklichkeit gar nicht mehr wahrnahm?

6
    Irgendwann musste ich mir allerdings eingestehen, dass tatsächlich irgendetwas nicht stimmte. Aber dazu brauchte ich eine ganze Weile. Benebelt von den ungewohnt häufigen Berührungen, fand ich problemlos in den Schlaf und konnte so gut durchschlafen wie seit meiner frühen Pubertät nicht mehr. Schlaftabletten waren eine Sache von gestern. Ich hatte die wahre Heilmethode für meine Schlaflosigkeit gefunden: Komatisierung durch Dauersex.
    Hunter machte schon Witze darüber. Normalerweise sei es ja wohl der Mann, der nach dem Liebesspiel erschöpft einnickte. Ich war allerdings weniger körperlich ausgelaugt als vielmehr emotional befriedigt. Zum ersten Mal in meinem Leben schaltete mein Gehirn nicht in den Sorge-Modus, wenn ich mich hinlegte und die Augen schloss. Hunter schien mich und meinen Zustand richtiggehend unter seine Kontrolle gebracht zu haben – oder vielleicht hatte ich auch nur gelernt, wie man sich wirklich hingibt.
    Doch nach und nach bemerkte ich, dass niemand neben mir lag, während ich schlief. Hunters Seite des Bettes blieb leer, wenn ich einschlief, und war auch nicht zerknittert, wenn ich wieder aufwachte. Ich entdeckte Anzeichen von späten Essgelagen in der Küche – schmutzige Teller, die sich
im Spülbecken stapelten, leere Kartons im Müll, in denen sich Fertigessen befunden hatte und die am Abend zuvor noch nicht da gewesen waren. Wir hatten schon vor vielen Jahren vereinbart, dass er kein Fleisch mit in unsere Wohnung brächte. Doch nun schien er sich nach Mitternacht mit Spareribs und Fleischbällchen vollzustopfen. Ständig stieg der Geruch von totem Fleisch in meine empfindliche Nase, und selbst ein kräftiges Durchlüften der Zimmer nützte nichts. Als ich mich beklagte, lachte Hunter nur und versprach, die Mülltüten in Zukunft vor die Tür zu tragen.
    Es kam ihm gar nicht in den Sinn, sich für das Brechen unserer Abmachung zu entschuldigen, und ich forderte ihn dazu auch nicht auf. Ebenso wenig fragte ich ihn, warum er auf einmal weniger empfindlich war und es ihm nichts mehr ausmachte, während meiner Periode mit mir zu schlafen. Vielmehr schien er es geradezu zu genießen. Auch wenn mir dieser Aspekt seiner neu entdeckten Erdverbundenheit gefiel, so war ich doch weniger begeistert, als er anfing, nur noch alle paar Tage zu duschen. Er rasierte sich auch immer seltener, und seine Stoppeln hinterließen auf meinem Gesicht und zwischen meinen Schenkeln rote Kratzspuren.
    Nachts wurde ich von wilden Träumen heimgesucht, an die ich mich am nächsten Morgen nie genau erinnern konnte. Ich wusste meistens nur noch, dass sich ein kompliziertes Drama abgespielt hatte; auf Einzelheiten vermochte ich mich nicht zu besinnen. Allein verschwommene Bilder tauchten vor meinem inneren Auge auf: ein nächtlicher Sternenhimmel auf dem Land; ein riesiger Mond, vor den sich eine dunkle Wolke schob; mein Mann, der mich aufs Bett drückte, während ich ängstlich wimmerte; Malachy
Knox in seinem weißen Labormantel, wie er eine halbtote Katze hochhielt und Sam, Lilliana und Ofer erklärte, dass sie es lernen müssten zu töten. »Fangt klein an«, sagte er. »Mit einem Verletzten wie diesem Kerl hier. Dann steigert euch. Sucht euch ein größeres Opfer. Tut euch zusammen, um es gemeinsam zu schaffen.«
    Ich hob eine Hand und fragte: »Und was ist mit mir?«
    »Sie sind natürlich das größere Opfer«, erklärte Knox, woraufhin mich meine Kollegen mit gesteigertem Interesse musterten.
    Mein inneres Leben schien plötzlich aus einem zweitklassigen Horrorfilm zu bestehen. Vermutlich wäre meine Mutter stolz auf mich gewesen.
    Nach mehreren Wochen solch diffuser Albträume beschäftigte mich eines Nachts eine andere Art von Geschichte. Ich befand mich in einer U-Bahn voller Menschen. Es war so eng, dass ich zwischen mehreren Fahrgästen eingeklemmt stand. Auf einmal spürte ich, wie sich jemand langsam an mir rieb. Im wirklichen Leben hätte ich panisch und angewidert reagiert, doch im Traum fühlten sich die sanften Berührungen meines Rückens und Pos wie Wellen an, die in mir hochstiegen – sinnlich und unpersönlich, anonym und äußerst erotisch.
    Eine männliche Hand fasste mich an der Taille. Das ist wie aus der Geschichte von Anaïs Nin, dachte ich, jener Geschichte über eine Frau und einen Fremden im Zug. Ich gab mich ganz dem

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