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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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man sich verlieren konnte. Zudem saß er da wie ein Athlet, die muskulösen Schenkel gespreizt. Später fand ich heraus, dass er in der College-Fußballmannschaft spielte. Als er seinen Pulli auszog, konnte ich unter dem dünnen weißen T-Shirt deutlich seine Brustmuskeln erkennen. »Kann ich dich etwas fragen?«, meinte er.
    »Klar«, erwiderte ich und versuchte, nicht allzu nervös zu wirken.
    »Wie lang sind deine Haare eigentlich, wenn du sie offen trägt?«
    Im Grunde hätte ich jetzt meine Haarklammern herausziehen
und ihn mit meinem Haar betören sollen. Stattdessen antwortete ich nur: »Bis zur Taille. Aber im Augenblick sind sie nicht frisch gewaschen.«
    Hunter lehnte sich zurück und trank einen Schluck Kaffee. »Ich brauche eine Zigarette«, sagte er nach einer Weile. »Hättest du Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
    Er will mit mir schlafen, dachte ich. Aber im Morgengrauen würde er bestimmt in seine Höllen-WG zurückkehren und nie mehr wieder etwas von sich hören lassen.
    »Ich muss wieder ins Aquarium.« So wurde unter den Studenten die naturwissenschaftliche Bibliothek genannt.
    »Verdammte Prüfungen.«
    Später erfuhr ich, dass Hunter im Alter von sechzehn mit seiner Familie nach England gezogen war. Er hatte sich eine Art Ralph-Lauren-Patina bewahrt, die noch ausgeprägter wurde, als wir nach Manhattan zogen.
    Draußen vor dem schlecht erleuchteten Weg zur Bibliothek blieb er stehen und fasste mich am Ellenbogen. Sein Duft – eine Mischung aus Männlichkeit, Zigarettengeruch und Zitronenseife – stieg mir in die Nase und vernebelte mir fast die Sinne. »Abra, hättest du Lust, mich wiederzusehen, oder langweile ich dich zu Tode?«
    Am liebsten hätte ich ihn in die Unterlippe gebissen und so lange daran gesaugt, bis Blut kam. Die Erregung kam unerwartet und raubte mir fast die Stimme. »Lust«, antwortete ich einsilbig.
    »Gut.« Auf seinem Gesicht, das im Schatten lag, zeigte sich ein zufriedenes Lächeln. Dann zündete er sich eine Zigarette an, und seine Miene wurde wieder undurchdringlich. Ich hätte ihn gerne gefragt, warum er sich für mich interessierte. Waren es allein meine Haare? Oder hatte er es
allgemein auf Jungfrauen abgesehen? Monate später nahm ich meinen Mut zusammen und fragte ihn tatsächlich, was er damals so anziehend an mir gefunden hatte.
    »Dein Selbstbewusstsein«, antwortete Hunter. »Wie du da in deinen bequemen Klamotten gesessen hast, völlig versunken in die Arbeit. Im Gegensatz zu den anderen hast du kein einziges Mal auf die Uhr gesehen. Mit den hoch gesteckten Haaren und dieser seltsamen großen Brille aus den Achtzigern wirktest du wie... ich weiß auch nicht. Wie eine kleine Nonne, die völlig in sich ruht.«
    Als wir schließlich zwei Wochen nach unserer ersten Begegnung miteinander schliefen, brach ich immer wieder in Lachen aus. Ich war es nicht gewohnt, auf erotische Weise berührt zu werden. Am liebsten hätte ich Hunter gebeten, nicht ganz so rücksichtsvoll zu sein, doch ich traute mich nicht. Als Mädchen war ich viel zu oft geritten, um zu bluten, als er schließlich in mich eindrang. Einen leichten schmerzenden Stich verspürte ich trotzdem.
    In diesem ersten Moment war ich bereit, diesem Schmerz überallhin zu folgen. Aber Hunter hielt sich bis zum Schluss zurück, und dann blieb mir keine Zeit mehr, um noch aufzuholen.
    »Alles in Ordnung, Cadabra?«
    »Mm«, murmelte ich. In seinen Armen fühlte ich mich sicher und geborgen.
    Nachdem er eingeschlafen war, fuhr ich mit der Hand vorsichtig zwischen meine feuchten Beine und stellte mir Szenen aus den alten Filmen meiner Mutter vor – Szenen mit einer hübschen jungen Hexe, sie sich in sinnlicher Panik auf einem Scheiterhaufen wand, während Satan mit rot geschminktem Gesicht lüstern nahte.

    In Frauenzeitschriften liest man immer wieder, wie wichtig es sei, offen und ehrlich zuzugeben, was man im Bett will. Aber dazu gehört ein gewisses Selbstbewusstsein, das ich nicht besaß. Ich war mir nie ganz sicher, was Hunter eigentlich an mir liebte. Das Einzige, woran ich mich orientieren konnte, war sein Bild einer in sich ruhenden Nonne.
    Meine Mutter verhielt sich wie immer erschreckend offen. Sie erklärte mir, dass sie nur hoffen könne, wir hätten guten Sex, denn sie ginge davon aus, dass er mich schon bald schlecht behandeln würde. Solche Äußerungen hinderten mich daran, sie auf das Spiel mit dem Sklavenmädchen anzusprechen, auch wenn ich gerne gewusst hätte, was sie davon hielt.

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