Wolfstraeume Roman
Kojoten spielen wollte? Das war das Problem beim Kartenlegen
: Die Karten konnten alles und zugleich auch nichts bedeuten.
Ich begegnete Sam auf dem Gang. »Alles in Ordnung? Du siehst hoffentlich keine Punkte mehr vor den Augen?« Ich lachte gequält. Wir taten alle so, als wäre alles wie immer. Doch hinter der Fassade aus Normalität bröckelte es. Jeder aus unserem Team machte sich Sorgen um seine Zukunft. Am Abend wurde es dann zur Gewissheit: Malachy Knox war entlassen worden und gehörte nicht länger dem tiermedizinischen Institut von New York an.
Wir hatten ihn nicht mehr gesehen, seitdem die Rettungssanitäter gemeinsam mit Mr. Simcox, dem ausgezehrten Leiter der Institutsverwaltung, in sein Labor im Keller gekommen waren. Es gelang uns, die Sanitäter davon zu überzeugen, dass ich nicht in die Notfallstation gebracht werden musste. Dann rief Mr. Simcox zwei Sicherheitsleute, die Malachy Knox wegführen sollten.
Etwas an seiner Miene ließ mich vermuten, dass er es geschafft hatte, einige wichtige Dokumente in seine Aktentasche zu schieben, ehe Mr. Simcox aufgetaucht war.
»Euch wird nichts passieren«, beruhigte er uns, während er seinen zerfetzten Mantel auszog und sein Tweedjackett von einem Haken hinter der Tür nahm. Seine knochigen Arme ragten aus den abgestoßenen Hemdstulpen hervor, als wären die Ärmel geschrumpft oder die Arme gewachsen.
Als ihn die Wachleute aus dem Labor begleiteten, drehte er sich noch einmal zu uns um. »Sie werden euch alle anderen Teams zuweisen.«
»Aber Dr. Knox«, rief Sam. »Was wird mit Ihnen geschehen?«
Malachy Knox überraschte uns alle, als er breit grinste. »Ehrlich gesagt, mein Junge, ich habe keine Ahnung.«
Und mit diesen Worten verließ er uns. Er pfiff leise vor sich hin, als er beschwingten Schrittes den Gang entlang davonging.
11
Ich sitze in der Kantine des Instituts, und Lilliana reicht mir einen Strohkorb. »Du musst den Korb Knox bringen, Abs. Es geht ihm nicht gut.«
»Wo ist er?«
Lilliana zeigt auf den Keller. »Da unten. Geh aber direkt in sein Labor, und öffne unterwegs keine andere Tür. Hörst du?«
»Gut, versprochen.« Auf einmal bin ich in meiner Wohnung und mache die Tür zum Schlafzimmer auf. Hunter liegt auf dem Bett und masturbiert mit etwas, was wie eine Leber aussieht. Genau wie in Portnoys Beschwerden, denke ich. Auf einmal begreife ich, dass alles nur ein Traum ist.
»Ausgezeichnet. Du hast mir etwas zum Essen gebracht«, sagt Hunter. »Ist da Fleisch für mich drin?«
»Das ist nicht für dich«, erkläre ich. »Das hat etwas mit meiner Arbeit zu tun.«
Ich mache die Tür hinter mir zu und befinde mich wieder im Keller, auf dem Weg zu Malachy Knox’ Labor. In einer Ecke kauert eine junge Frau, die sich den Bauch hält, als hätte sie starke Schmerzen. Sie trägt ein rotes Sweatshirt mit Kapuze, die ihr Gesicht verbirgt. Ganz so wie in diesem Film aus den siebziger Jahren, denke ich. Wie hieß der noch
mal? Ach ja – Wenn die Gondeln Trauer tragen. Als ich mich an das Ende des Films erinnere, vermute ich sogleich, dass es sich um den mörderischen Zwerg handelt.
»Alles in Ordnung?«, frage ich misstrauisch.
»Nein, überhaupt nicht«, antwortet das Mädchen und zieht die Kapuze herunter. Sie hat ein freundliches, spitzes Gesicht und scheint wütend, aber auch ängstlich zu sein. »Schau nur, was er mit mir gemacht har!«
»Du siehst doch gut aus«, entgegne ich verständnislos. Doch dann entdecke ich die behaarten Pfoten eines Wolfes, die aus ihren Ärmeln schauen. »Ach, du Arme!«
»Nein, nein. Ich bin ein Wolf«, sagte das Mädchen. »Er hat mir das hier angeran!«
Da ich nicht weiß, was ich tun soll, öffne ich den Korb und hole ein Plunderteilchen heraus.
»Danke!«, ruft sie mir hinterher und stopft sich das Gebäck gierig in den Mund. »He! Pass auf, dass er seine Kleider nicht auszieht!«
Ich nicke, obwohl ich nicht weiß, ob sie Malachy Knox oder doch jemand anderen meint. Als ich die Tür des Labors erreiche, stehe ich plötzlich vor dem Haus meiner Mutter. Mein Mann öffnet mir die Tür. Er trägt den violetten Kaftan meiner Mutter.
»Hunter«, sage ich. »Wo ist Mom?«
»Ich bin jetzt deine Mutter«, antwortet er.
»Nein. Du trägst nur ihre Kleider. Was hast du mit ihr gemacht?«
»Ich habe sie in mich aufgenommen, damit ich alles für dich sein kann. Ich habe auch keine Mutter. Wieso solltest du also eine haben? Du brauchst nichts und niemanden außer mir. Nur mich.«
»Das ist aber
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