Wolfstraeume Roman
sparte Geld, so gut es ging, und bewarb mich um einen Studienplatz für Tiermedizin. Hunter kam und ging, wie es ihm gefiel. Manchmal blieb er viele Monate lang fort.
Meine Mutter wollte immer wieder wissen, wie unsere
Beziehung eigentlich aussah. Ich behauptete, wir wären Freunde geworden, auch wenn mich dieser Gedanke quälte. Warum hielt ich einem Freund das Bett warm?
Ich schickte ihm die Rechnungen, wenn er nicht im Land war, und schützte ihn vor aufdringlichen Freundinnen, wenn er sich in New York befand. Seine Freundinnen fragten mich zwar um Rat, hielten sich dann aber nie daran. Ich riet ihnen, sich so zu verhalten, als wären sie nur gute Freundinnen und nicht seine Geliebten.
Schließlich ging ich für vier Jahre an die Tufts University, die sich in einem Vorort von Boston befand. Nachdem ich meinen Abschluss gemacht hatte, kam ich nach New York zurück. Ich besuchte Hunter, wir tranken und hatten dann die ganze Nacht lang wilden Sex. Es machte unglaublich viel Spaß. Ich hatte vergessen, wie gut Sex sein konnte – fast wie eine Runde Twister: den linken Fuß auf den roten Punkt, den rechten Arm auf den blauen, und los geht’s!
Wir heirateten ein Jahr später einen Tag nach dem Valentinstag im Standesamt von Manhattan. Ich versuchte Hunter nicht zu verraten, wie überrascht ich über diese Entwicklung war. Schließlich gibt es keine würdevolle Art, einen Mann zu fragen, wieso er einen eigentlich heiraten will.
Wir hatten niemanden zu unserer Hochzeit eingeladen, baten also ein anderes Paar, das nach uns heiraten wollte, als unsere Trauzeugen zu fungieren. Ich trug ein hellbeiges Seidenkleid, das im Geschäft fantastisch ausgesehen hatte, mich aber ernst und matronenhaft wirken ließ. Hunter zog eine Jeans und einen Pulli an.
Unsere Flitterwochen bestanden aus einem unerträglichen Wochenende in dem gewaltigen viktorianischen
Haus seiner Familie in Northside, New York. Da sich Hunters Mutter das Leben genommen hatte, gab es nur noch den Vater, der sich überraschenderweise im Haus aufhielt, als wir eintrafen. Er wiederholte immer wieder, wie überrascht er doch sei, dass wir geheiratet hätten. Allerdings betonte er auch, welch stolze Familie die Barrows darstellten und welche Verantwortung das für zukünftige Generationen bedeutete. Ich brauchte einen Tag, um zu begreifen, dass mich Hunters Vater für wohlhabend hielt. Ein wenig beschämt erklärte ich ihm, dass weder meine Mutter noch mein Vater das Geld hätten, sein Haus renovieren zu lassen – selbst wenn das Turmzimmer einsturzgefährdet sein mochte, die Heizkörper aus den zwanziger Jahren stammten und wie Katzen zischten, aber kaum Hitze abgaben, und das obere Stockwerk noch immer Gasbeleuchtung hatte.
Selbst wenn es sich um das Erbe meiner zukünftigen Kinder handelte.
»Na ja«, meinte Hunter grinsend. »Vielleicht könnten wir einfach deine Mutter um die Ecke bringen und ins El-Greco-Haus ziehen.«
Letztlich war es sein Vater, der uns finanziell immer wieder unter die Arme griff, als sich Hunter dem Journalismus widmete und ich mich für die Stelle als Assistenzärztin am tiermedizinischen Institut bewarb. Trotzdem ließ sich meine Mutter nicht von ihrem Verdacht abbringen. Ihrer Meinung nach war Hunter nicht über den Weg zu trauen.
Der Wasserkessel pfiff, also zog ich ihn vom Herd. Dann goss ich heißes Wasser in einen Becher mit Kakaopulver, als das Telefon klingelte.
»Hallo, mein Schatz.«
Es war nicht Hunter, sondern meine Mutter. Idiotischerweise
hatte ich noch rasch einen Schluck heißen Kakao getrunken und musste nun husten.
»Hallo! Hallo? Geht es dir gut?« Meine Mutter klang überraschend besorgt.
»Entschuldige, Mom. Ich hab mir gerade meine Zungenspitze verbrannt.««
»Liebling, was ist los?«
Ich brach sofort zusammen. »Oh, Mom! Hunter ist noch nicht zu Hause. Ich konnte ihm noch nicht einmal davon erzählen, was im Institut passiert ist.« Auch nicht, dass er möglicherweise den Lykanthropievirus aufgeschnappt har- eine Befürchtung, von der ich meiner Mutter allerdings auch zuvor nichts erzählt hatte. »Ich habe Angst, dass Hunter mich endgültig verlassen will.«
»Ist das alles? Ach, Liebes, und ich mache mir Sorgen, dass er dich nicht verlässt.««
Für einen Augenblick überlegte ich, ob ich auflegen sollte. Doch stattdessen erzählte ich ihr von meinem verwirrenden Traum.
»Bist du dir sicher, dass dieser Typ aus Texas auch ein Wolf war? Deine Karten haben einen Wolf und einen Kojoten
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