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Wolfstraeume Roman

Wolfstraeume Roman

Titel: Wolfstraeume Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisa Sheckley
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Hunter
schaltete das Radio ein: Mick Jagger sang etwas über die Siamkatze eines Mädchens, das ihm verfallen war.
    Ich blickte aus dem Fenster. Ich war verdammt wütend und Hunter offenbar auch. Der Rest der Fahrt verlief also schweigend.
    Auch die restliche Woche über wechselten wir kaum ein paar Worte miteinander. Hunter war die meiste Zeit auf dem Speicher verschwunden, um sein Buch zu schreiben, und ich machte mich auf die Suche nach einer Tierarztpraxis, in der man noch nicht mit dem südlichen Ende von Kühen und Pferden in Kontakt gestanden haben musste.
    »Als ich so jung war wie Sie«, erklärte mir ein wettergegerbter Tierarzt, »durfte man erst praktizieren, wenn man auch Erfahrungen mit großen Tieren gesammelt hatte. Bis vor wenigen Jahren haben wir euch Stadtpflänzchen gleich wieder hinausbefördert, wenn ihr es nicht geschafft habt, eure Hand blind in den Hintern einer Kuh zu stecken und zu bestimmen, in welchem Monat sie ist.«
    Ich kam zu einem Hausbesuch mit, wo mir ein Pferd auf den Fuß trat. Keiner erkundigte sich nach meinem Befinden. Der Besitzer erklärte nur immer wieder: »Sie hatten verdammtes Glück, Schätzchen, dass es Sie nicht getreten hat.« Der Tierarzt von Northside, dessen linke Gesichtshälfte gelähmt war, murmelte irgendetwas Unverständliches, was darauf hinauslief, dass ich für seine Praxis nicht geeignet sei. Brummend fügte er hinzu, dass er mit Frauen, die bei der leisesten Erschütterung gleich umfielen, sowieso nichts anfangen könne. Ich überlegte mir kurz, ob ich ihn wegen Diskriminierung verklagen sollte, entschied mich dann aber dagegen, da ihm drei Finger der rechten Hand fehlten und er zudem ein Glasauge trug.

    Als ich ging, kam gerade eine schlanke grauhaarige Frau mit einem großen Vogelkäfig in die Praxis. Der Käfig war in ein schwarzes Tuch gehüllt. Was auch immer sich darunter verbergen mochte – es gab jedenfalls seltsame Kicherlaute von sich, die eher an eine Hexe als an einen Vogel erinnerten. Die Frau warf mir einen misstrauischen Blick zu. Sobald ich draußen war, wurden die Fensterläden geschlossen. Vielleicht war es eine Eule, dachte ich. Aber die Laute hatten eigentlich nicht wie die der Eulen geklungen, die ich bisher gehört hatte.
    Es lief darauf hinaus, dass meine Ausbildung am tiermedizinischen Institut von New York zwar überall als interessant, aber auch als nutzlos betrachtet wurde – fast so, als besitze ich den zweifelhaften Vorteil, ein Designer-T-Shirt zu tragen oder Italienisch zu sprechen. Kurz gesagt: Was ein Vorteil in Manhattan war, konnte in Northside sinnlos sein.
    Man schlug mir vor, ehrenamtlich in einem örtlichen Tierheim zu jobben, bis sich etwas anderes ergab – zum Beispiel in Beast Castle.
    »Das ist doch nicht örtlich«, protestierte ich. »Das ist ja schon fast in New York.«
    In Manhattan wäre es mir leichtgefallen, mich abzulenken. Dort wäre ich herumspaziert, hätte mir Schaufenster angesehen, wäre ins Kino gegangen. Auf dem Land schienen diese Dinge zwar auch möglich zu sein, aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen.
    Nach vier Tagen voller Ablehnungen beschloss ich, mir einen Tag freizunehmen. Ich ging in den Garten hinaus und beobachtete ein paar Streifenhörnchen, die miteinander stritten. Ich trank einen Kaffee nach dem anderen und
lauschte dem Wind, der in den Bäumen rauschte. Ich wollte Lilliana anrufen. Doch als ich den Hörer abhob, war ein Besetztzeichen zu hören. Ein Elektriker und ein Mann von der Telefonfirma waren zwar inzwischen da gewesen, doch nun war Hunter ständig im Internet, um irgendwelche Nachforschungen anzustellen. Jedes Mal, wenn ich auf den Speicher kam, klappte er allerdings hastig seinen Laptop zu.
    Ich ging in die Küche und beobachtete eine Viertelstunde lang die Staubpartikel, die durch die Luft tanzten. Dann entschloss ich mich, etwas Sinnvolleres mit meinem Tag anzufangen – wie zum Beispiel auszupacken.
    Bisher hatte ich es erst geschafft, einige Klamotten und Kosmetikartikel aus den Kisten und Koffern zu ziehen. Alles andere war noch nicht herausgeholt worden. Ich hatte mich nicht dazu überwinden können, obwohl wir nun bereits seit fast einem Monat in diesem Haus lebten. Jetzt verstand ich, warum manche Menschen in wahren Labyrinthen aus Zeitschriften und leeren Flaschen hausten. Ich hatte keine Lust, die Bücher, Kleider, Uni-Unterlagen und die anderen Dinge, die Hunter eingepackt hatte, aus den Zeitungspapieren und der Luftpolsterfolie

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