Wolfstraeume Roman
aufgebaur und was mir etwas bedeutet hatte.
»O mein Gott«, sagte ich. »Hunter, ich glaube, ich bin schwanger.«
Er zog mich noch enger an sich, ohne etwas zu sagen. Der saure Geruch im Badezimmer wurde durchdringender. Trotzdem machte keiner von uns beiden Anstalten aufzustehen. Zwischen dem Apothekerschränkchen und dem Waschbecken saß eine kleine braune Spinne in ihrem Netz. Eine winzige Ameise lief darauf zu. Vorgänge, die man in aufrechter Haltung niemals bemerkt hätte.
»In der... in der wievielten Woche könntest du sein?«
Hunters Frage riss mich aus meinen Betrachtungen. In der wievielten Woche? War es bereits ein winziger Fisch, eine Kaulquappe, ein Salamander oder ein Ferkel? Welchen Weg hatte das Lebewesen in meinem Bauch auf der Evolutionsskala bereits hinter sich gebracht? Hatte es schon Daunenbewuchs oder einen verkümmerten Schwanzansatz? Nein, der kam erst später, zusammen mit den flatterhaften Bewegungen der Augenlider und möglicherweise Träumen.
»Es kann noch nicht lange sein«, erwiderte ich und dachte an Hunters jahrelange Einwände gegen ein gemeinsames Kind – wegen seines drohenden Freiheitsverlusts, meiner Unabhängigkeit, der Möglichkeit, dass er die schizophrenen Gene seiner Mutter geerbt haben könnte. Jetzt lauerte die Gefahr nicht mehr in Form einer Schizophrenie, sondern – als Lykanthropie.
»Willst du es?« Seine Hand glitt vorsichtig zu meinem Bauch hinab.
»Willst du es?«
Seine Daumen strichen über meinen Bauch. »O ja, auf jeden Fall.« Es hatte etwas Ergreifendes, wie er so dasaß, seine nackten Schenkel um mich geschlungen, seine Hände auf meinem Bauch, beschützend und fürsorglich. »Ich will mein Baby in dir, Abra. Sehr sogar.«
»Ich auch.« Ich weinte. Hunter legte seine Hand unter mein Kinn und hob es an. Ich ließ zu, dass er mich küsste, während meine Tränen unsere Lippen befeuchteten. Seine Finger streichelten über meinen Kieferknochen, und ich fühlte eine Welle der Zärtlichkeit in uns aufsteigen. Bis ich auf einmal merkte, wie sein Penis steif wurde und gegen mein Becken drängte. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass Hunter ja völlig nackt war. Er zog sich gerade noch rechtzeitig zurück, ehe seine Erregung meine zarten Gefühle, die mir fast Angst machten, zu sehr störten.
»Ich liebe dich. Das weißt du, nicht wahr?«, murmelte er.
»Ich liebe dich auch.«
Das Glücksgefühl überwältigte mich nach dem heftigen Zornausbruch beinahe. Ich war ein solches Auf und Ab nicht gewohnt und sehnte mich fast nach meinem früheren Mann, der distanziert belustigt gewirkt und selbst die größten Gefühlsausbrüche mit einem ironischen Blick betrachtet hatte.
»Also, dann machen wir hier lieber mal sauber. Was meinst du?«
»Gut.«
Er bot mir seine Hand, um mich hochzuziehen. Nach einem kurzen Zögern nahm ich sie.
27
Am Tag nach dem Sturm war der Himmel wieder strahlend blau. Hier und da zeigten sich ein paar weiße Wölkchen, die von einer leichter Brise jedoch bald weitergetrieben wurden.
Es kam mir fast unglaublich vor, dass das Wetter am Tag zuvor noch so wild gewesen war. Allein in unserer Straße waren zwei Bäume umgerissen worden. Einige Männer kamen mit einem Laster, um sie zu entfernen, und am Nachmittag hatten wir wieder Strom im Haus. Unser Wagen wurde abgeschleppt und in die einzige Autowerkstatt von Northside gebracht, wo man uns für drei Tage einen Pick-up zur Verfügung stellte. Red rief zweimal an, legte aber jedes Mal auf, wenn sich der Anrufbeantworter einschaltete. Beim dritten Mal hinterließ er eine Nachricht und bat mich, ihn zurückzurufen. Mit einer seltsamen Benommenheit löschte ich jeglichen Hinweis auf seine Anrufe und lauschte dann meiner eigenen Stimme auf dem AB, während ich Hunter versicherte, er müsse sich keine Sorgen machen. Nach einer Minute löschte ich auch diese Nachricht.
Hunter und ich verloren kein weiteres Wort darüber, was in jener Nacht tatsächlich geschehen war. Ich durchsuchte
gerade den Kühlschrank nach abgelaufenen Lebensmitteln, als er mich mit der Frage überraschte, ob ich nicht Lust auf einen Kinobesuch hätte. Er meinte, er hätte es satt, so einsiedlerisch und egozentrisch zu leben, und sah mich dabei mit einem derart jungenhaften und verletzlichen Blick an, dass ich ihn kaum wiedererkannte.
Ich hätte mir das Buch über Alphamännchen und ihre Instinkte noch einmal vornehmen sollen. Darin stand genau beschrieben, wie ein dominanter Mann oftmals dazu überging, dieselben
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