Wolfstraeume Roman
Mann verbirgt.
»Abs, Liebling, hast du zufälligerweise meinen Rasierapparat gesehen?«
»Ist der nicht im Badezimmer?«
»Ich kann ihn nicht finden.«
»Warum benutzt du dann nicht einfach einen meiner Wegwerfrasierer?«
»Ja, muss ich wohl... Abs?«
»Ja?«
»Warum ist meine Rasiercreme leer?«
Mir blieb nichts anderes übrig, als zuzugeben, was ich getan hatte. »Es muss die Schwangerschaft sein«, erklärte ich. »Meine Hormone drehen offensichtlich durch.«
Hunter starrte sich im Spiegel an. »Vielleicht sollte ich mir einen Bart wachsen lassen. Was meinst du?«
»Mir würde dein Gesicht fehlen.« Ich schlang meine Arme um seine Taille. Er tätschelte mich liebevoll und machte sich dann los. Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihm ein eindeutigeres Zeichen geben sollte, wie zum Beispiel meine Brüste an ihm zu reiben. Die Hormone in meinem Körper verursachten nämlich nicht nur Übelkeit und starken Haarbewuchs, sondern sie ließen mich auch immer wieder ziemlich spitz werden. Leider schien mein Mann nicht gewillt zu sein, das zu seinem Vorteil zu nutzen. Kurz dachte ich an Red. Würde er mich auch jetzt noch attraktiv finden? Dann schob ich diesen Gedanken beiseite.
Es war immer leicht, sehnsüchtig an jemanden zu denken, wenn dieser Jemand gerade nicht anwesend war.
Am Abend vor Thanksgiving rief Hunters Vater an und verkündete, dass er und seine zweite Frau vorbeikommen und einige Tage bei uns wohnen wollten. Es war nicht klar, ob sie vorhatten, zum Thanksgiving-Essen zu kommen, obwohl Hunter sie dazu einlud, ohne mich vorher zu fragen.
»Wahrscheinlich werden sie nur etwas trinken, Liebling. Du kennst sie doch. Und wenn du einfach einen Truthahn in den Ofen schiebst, dann bleiben dir noch all die leckeren Beilagen. Ist doch wunderbar, oder?«
»Hunter, selbst wenn ich mich gut genug fühlen würde, um so einen Riesenvogel zu braten, Thanksgiving ist schon morgen. In den Supermärkten wird es bestimmt keine Truthähne mehr geben.«
»Natürlich gibt es noch einen Truthahn. Ich habe einen vorbestellt.«
Und so fand ich mich an Thanksgiving um neun Uhr morgens im Supermarkt wieder. Ich hievte gerade einen Truthahnkadaver in meinen Einkaufswagen, als ich Kayla, die Kellnerin, entdeckte.
In ihrem ausgebeulten grünen Wollpulli und einer Jeans war sie sogar noch hübscher, als ich sie in Erinnerung hatte. Ihre rotblonden Haare hatte sie streng zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Ich warf einen Blick auf sie und wandte mich dann rasch ab, allerdings nicht schnell genug, um nicht zu sehen, dass auch sie mich entdeckt hatte. Sie bedachte mich zuerst mit einem überraschten und dann mit einem empörten Blick.
Als sie näher kam, bemerkte ich eine kleine rote Narbe neben ihrem Mund, die mir zuvor nicht aufgefallen war.
»Sagen Sie Ihrem Mistkerl von Mann, dass er sich in Zukunft von mir fernhalten soll«, zischte sie mich an. »Wenn ich noch ein totes Tier vor meiner Haustür entdecke, rufe ich die Polizei. Das können Sie ihm von mir ausrichten. Verstanden?«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, erwiderte ich und legte instinktiv eine Hand auf meinen Bauch.
»Es ist mir egal, ob Dan davon erfährt. Sagen Sie ihm das ruhig. Es ist mir auch egal, ob Sie oder der ganze verdammte Ort es wissen. Ich will nur, dass Hunter sich von mir fernhält. Okay?«
Mein Mund fühlte sich trocken an, und ich hatte einen Kloß ihm Hals. »Wovon sprechen Sie?«
Kayla trat näher. In ihren hübschen grünen Augen funkelten Tränen. »Er ist krank. Hunter ist richtig krank«, sagte sie. »Und Sie sind auch krank, einfach weil Sie noch immer mit ihm zusammen sind.«
Damit drehte sie sich weg – noch eine Frau, die meinem Mann nichts bedeutete. Ich schloss die Augen, da mich das Licht in dem kleinen Supermarkt auf einmal blendete.
»Geht es Ihnen nicht gut, Miss?« Ein junger Bursche in einer grünen Schürze sah mich besorgt an. Ich richtete mich auf.
»Doch, doch«, erwiderte ich, ließ den Truthahn im Einkaufswagen liegen und ging aus dem Supermarkt.
Den Nachhauseweg legte ich so langsam zurück, als wäre ich sechsundneunzig Jahre alt und sehr zerbrechlich. Nervös trat ich immer wieder auf die Bremse, wenn ich befürchtete, ein Streifenhörnchen oder ein anderes Tier zu überfahren. Ich leide unter einem Schock, dachte ich, und ich bin schwanger. Ich muss sehr vorsichtig sein.
Meine Hände befanden sich genau an den Stellen des Lenkrads, auf die mich mein Fahrlehrer vor vielen
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